Hallo, mein Name ist Daniel, ich bin Schweizer und Mittdreißiger. Diese Website dreht sich um einige ziemlich ungewöhnliche Interessen, Hobbies und Vorlieben. So kurz wie möglich gehalten: ich mag Abgase von Benzinmotoren. Nein, ich schnüffle keine Abgase um mich zuzudröhnen, und ich sammle sie auch nicht in Flaschen. Aber unter bestimmten Umständen liebe ich es zu beobachten, wie dicke Abgaswolken in die Luft geblasen werden, oder den Geruch frischer Zweitaktabgase zu riechen.
Wenn meine Klamotten und Haare nach dem Kartfahren noch den ganzen Tag nach Benzin und Abgas stinken, dann ist das für mich keine lästige Unannehmlichkeit des Hobbies, sondern einer der Gründe, warum ich so gerne Kart fahre. Dass mein Motorrad die Umgebung in dicke, blaue Abgaswolken hüllt ist kein Manko, sondern der Grund, warum ich mir gerade dieses Motorrad gekauft habe. Ließe es nicht diese Wolken aus dem Auspuff, würde es mir sehr viel weniger Freude machen, damit zu fahren. Und Motorsport mit Elektromotoren finde ich völlig uninteressant. Ohne Benzin- und Abgasgeruch, stinkende Rauchschwaden, knatternden Motoren und dem Ausstoß richtig vieler Schadstoffe in die Luft ist es für mich kein Motorsport.
Das macht wenig bis gar keinen Sinn? Kann ich verstehen. Um was geht es hier also eigentlich? Schlussendlich auch darum, dass ich selbst gerne mehr darüber herausfinden würde, was das Ganze eigentlich soll – ich bin mehr oder weniger mit diesen Vorlieben auf die Welt gekommen, erklärt hat sie mir bisher noch niemand. Also versuche ich, durch das Niederschreiben meiner Geschichte und Gefühle zum Thema meine Gedanken zu ordnen. Vielleicht komme ich dadurch zu einem neuen Verständnis und neuen Theorien, wie so etwas passieren konnte. Falls aber jemand aus der Psychologie an meinem "Fall" Interesse hat, wäre ich auch sehr an einem professionellen Blick auf das Thema interessiert! 😀
Auf dieser ersten Seite der neuen Website habe ich meine ganze Geschichte schon einmal grob umrissen. Auf den weiteren Seiten, die ich in Zukunft schreiben möchte, werde ich alle Themen und einzelnen Faktoren der Geschichte wieder aufgreifen und detaillierter beschreiben. Ich hoffe, dass durch Struktur und Verknüpfung der Seite dabei eine Art Mindmap entsteht, wie alles zusammenhängt. Das braucht aber Zeit, und einen genauen Plan habe ich noch nicht. Bis es soweit ist, und falls dein Interesse geweckt wurde, gibt dir die folgende Geschichte hoffentlich eine gute Einführung zu mir, den Themen dieser Seite, und ein paar Hypothesen wie diese Neigungen entstanden sein könnten.
Inhaltsverzeichnis
1. Von Anfang an
Seit ich denken kann bin ich sehr umweltbewusst. Als kleiner Junge hat mich durch Menschen verursachte Umweltverschmutzung sehr beschäftigt. Zu sehen, wie rücksichtslos wir die Natur verschmutzen und zerstören, hat mich schon immer sehr traurig gemacht. Der Umweltschutz war in den späten 80ern und frühen 90ern ein allgegenwärtiges Thema. Ich lernte Begriffe wie Smog und Ozonloch, Artensterben und Abholzung des Regendwaldes, sauren Regen und Waldsterben kennen. Im Fernsehen liefen Berichte über die Luftbelastung durch Autoabgase, in Kinderzeitschriften sah ich Bilder von restlos abgeholztem Regenwald und verlorenen Dschungeltieren, die ihre Heimat verloren hatten. Die Erziehung zu einem starken Umweltbewusstsein war vorprogrammiert. Und auch in meiner direkten Umgebung begann ich, Zeichen der Umweltzerstörung zu sehen: Müll im Dorfbach, abgeholzte Bäume beim Spielplatz, ein Ölfilm auf dem See.
Schon sehr früh hat mich aber eine bestimmte Form der Umweltbelastung, und ein Wort, ganz besonders geprägt: Abgas.
Wo ich aufgewachsen bin war keine andere Art der Umweltverschmutzung so allgegenwärtig, und hat mich so regelmäßig und direkt betroffen und belästigt, wie Motorenabgase. Da wir in einem eher städtischen Gebiet wohnten gab es praktisch keinen Ort und keine Tageszeit, wo man nicht ständig von Autos, Lastwagen und Motorrädern umgeben war, oder sie zumindest hören konnte. Oft wanderte mein Blick direkt auf diese Rohre an der Hinterseite, über die ich gelernt hatte, dass durch sie die ganzen Giftstoffe einfach so in die Umwelt gepustet werden. Erst recht hinsehen musste ich natürlich, wenn der Ausstoß auch noch als Qualmwolken sichtbar wurde. Ich erinnere mich, dass ich auch die kindlichste aller Reaktionen auf diese schlechten Nachrichten hatte: ich fragte mich, warum man denn überhaupt Auspuffe an Autos baut oder sie nicht einfach zumacht!
Früh muss ich auch zugeordnet haben, wie diese bösen und gefährlichen Gase riechen, dass die Abgase eines Diesel-LKWs anders stinken als die eines Autos oder eines kleinen Mopeds. Und damit wurde mir auch eindringlich bewusst, wie weit verbreitet Abgase waren. Selbst wenn man gerade nicht nahe einer Straße war und gerade kein Fahrzeug vorbeifuhr konnte es sein, dass einem der Wind willkürlich den unverkennbaren Geruch von Rollerabgasen in die Nase wehte, die irgendjemand, irgendwo, irgendwann in die Luft gepustet hatte. (Auch heute noch reagiert meine Nase darauf wie ein Spürhund.) Es kam mir vor, als wäre die ganze Welt schon überall mit Abgasen vergiftet, und dass es keine davon unberührte Natur mehr gab. Und die Menschen produzierten immer mehr und mehr davon! Ich begann, mich hilflos zu fühlen. Ich war nicht sicher ob die Umwelt überhaupt noch zu retten war. Aber mein Wille war nicht gebrochen. Unter anderem hatte ich mir selber geschworen, in meinem Leben nie einen Benzinmotor zu benutzen (und habe sogar einige Schulfreund*innen dazu überredet, dasselbe Versprechen abzugeben).
2. Eine morbide Neugier
Anfänglich habe ich auf all die Abgase der Autos, Motorräder, LKWs, Roller und Mofas um mich herum mit purer Abscheu und Empörung reagiert. Ich kann mich noch gut an dieses Gefühlschaos erinnern, eine Mischung aus Wut auf die Menschen, welche diese Verschmutzung verursachten, Unverständnis darüber, wie es ihnen scheinbar so gleichgültig sein konnte, und eine tiefe Betrübtheit darüber, dass ich nichts dagegen tun konnte. Wie lange das meine einzige Reaktion war, weiß ich nicht mehr. Aber ich weiß, dass es immer noch im frühen Kindesalter war, bevor ich in den Kindergarten kam, als ich bemerkte, dass mich die Abgase von Benzinmotoren auf eine gewisse Weise auch irgendwie anzogen.
Ich habe Abgase gehasst und verteufelt, aber sie haben auch eine morbide Faszination auf mich ausgeübt. Wenn ein Bulldozer auf einer Baustelle eine pechschwarze, dicke Rußwolke nach der anderen in Richtung Himmel geblasen hat, konnte ich gar nicht mehr wegsehen. Ich musste das ganze Ausmaß dieser verheerenden Umweltzerstörung beobachten, solange ich konnte. Ich wollte davon Zeuge sein und dabei meine Fassungslosigkeit und Entrüstung wachsen lassen. Wenn Jugendliche die Motoren ihrer Mofas unnötig laufen gelassen und die Nachbarschaft mit den Auspuffgasen überzogen haben, dann konnte ich dem nicht einfach aus dem Weg gehen. Solange dieser Gestank von Benzin, Öl und Abgasen produziert wurde, musste ich ihn bewusst einatmen und riechen. Es war, als müsste ich mich vergewissern, dass es tatsächlich diese schädlichen Benzinabgase waren, die hier in die Luft geblasen wurden, und als wollte ich anhand des Geruches einschätzen, wie schlimm es war. Schon bald habe ich solche Szenen besonders heftiger oder, meiner Ansicht nach, sinnfreier Luftverschmutzung auch gezielt gesucht. Wenn auf einer Baustelle schwere Maschinen im Einsatz waren, zog es mich dahin, und wenn irgendwo Mopeds unnütz warmlaufen gelassen wurden, versuchte ich, mich windabwärts aufzuhalten um die Abgase möglichst gut riechen zu können.
Mit der Zeit, aber immer noch im Grundschulalter, habe ich dann einige Aspekte entdeckt, unter welchen mich solche Beobachtungen besonders gebannt, fasziniert und aufgerüttelt haben. Hauptsächlich war das natürlich das Ausmaß der Luftverschmutzung. Je stärker die Luft verpestet wurde, desto mehr hat es mich berührt, auch wenn ich das bloß mit meinem naiven Unverständnis einschätzen konnte. War die Abgaswolke besonders groß, besonders dick und undurchsichtig, oder hatte sie eine "giftige" Farbe, dann wurden wohl besonders viele Schadstoffe produziert. Fühlte sich der Abgasgeruch in meiner Nase beißend und würzig an, oder war es sogar stickig und erschwerte mir das Atmen, dann vermutete ich, dass die Natur hier wohl besonders stark geschändet wurde. Im Fernsehen oder in Kinderzeitschriften habe ich dann aber auch in der Theorie gelernt, was an Abgasen und anderen Formen der Umweltverschmutzung besonders schädlich ist. Ich lernte, dass die so imposant und schrecklich aussehenden schwarzen Rußwolken von Dieselmotoren nicht unbedingt die schlimmsten Verschmutzer waren, und dass viel Qualm nicht heißt, dass auch viele Schadstoffe enthalten sind.
3. Daniel entdeckt Zweitakter
Es gab aber einen Übeltäter, der unter beiden Gesichtspunkten besonders hervorstach. Der mir intuitiv schon immer besonders aggressiv giftig vorkam, und von dem ich nun erfuhr, dass er tatsächlich auch ein Luftverschmutzer sondergleichen war: der Zweitaktmotor!
Ich erfuhr, dass ein kleiner Zweitakt-Motorroller gut und gerne mal so viele Schadstoffe in die Luft blasen konnte wie ein paar Hundert Autos. Und irgendwie merkt man ihnen ihre Giftigkeit ja auch an. Durch das beigemischte Öl und den unverbrannten Treibstoff riechen Zweitakt-Abgase ganz besonders würzig und stechend, und die Abgaswolken haben im Gegensatz zu Autoabgasen auch oft eine giftig-blaue Farbe. Und obwohl die Motoren so klein und ihre Auspuffe oft so winzig sind, fast also ob man verstecken wollte, dass überhaupt Abgase entstehen, ist die Größe und Dicke der Wolken, die aus ihnen strömen, oft beeindruckend. Zu guterletzt klingt sogar das Knattern der kleinen Motoren im Leerlauf irgendwie schmutzig, und das "Bienenschwarm"-Geheul besonders aggressiv. Alles in allem waren Zweitakter schon immer das perfekte Ziel meiner Faszination und Abscheu. Nun hatte ich erfahren, dass sie auch wirklich so schlimme Dreckschleudern waren, wie ich vermutet hatte.
Zufall oder nicht, diese Ausrichtung auf Zweitaktmotoren passte auch perfekt zum anderen zentralen Aspekt, den ich bei mir als besonderen Trigger entdeckte. Wenn Leute die Luft mit ihren Benzinmotoren verpestet haben, hat es mich immer dann besonders provoziert, wenn sie dies ohne wirklichen Zweck, aus purer Sorglosigkeit oder Gleichgültigkeit getan haben. Nutzlosigkeit liegt natürlich im Auge des Betrachters. In meinen Augen waren die Grenzen äußerst klar und eng gesetzt. Und nirgendwo sonst sind Zweitakter so präsent wie in Bereichen, wo diese Grenzen überschritten werden.
Beispielsweise sind Kleinmotorräder, oft die ersten Motorfahrzeuge von Jugendlichen, häufig Zweitakter. Durch die einfache Bauweise sind die Motoren leicht und billig. Somit sind die Roller und Motorräder, in die sie verbaut werden, auch für junge Menschen erschwinglicher als größeres, umweltschonenderes Gerät. Niemand ist sorgloser beim Verschmutzen der Luft als Teenager mit ihrem ersten eigenen motorisierten Gefährt! Erst recht nicht, wenn die Eltern noch den Sprit bezahlen. Und erst recht nicht, wenn das unnötige Verschmutzen der Umwelt gesellschaftlich verpönt ist, und man sich deswegen durch demonstrative Gleichgültigkeit rebellisch zeigen kann! Also werden die knatternden, stinkenden, qualmenden Mopeds minutenlang aufgewärmt, auch bei längeren Gesprächen mit Freund*innen nicht ausgemacht, und wenn ein Erwachsener oder ein Mädchen gerade hinter dem Auspuff durchspaziert wird spaßeshalber kurz am Gas gedreht und eine Extrawolke in deren Richtung geschickt. Und genau diesen Jugendlichen überlässt man die größten Dreckschleudern überhaupt! Nie habe ich in solcher Regelmässigkeit dermassen riesige, stinkende, bläuliche Abgasfahnen erlebt wie diejenigen, die sich täglich über dem Mopedparkplatz meiner Mittelschule ausgebreitet haben.
4. Daniel entdeckt den Motorsport
Aufgrund ihrer leichten Bauweise und hohen Effizienz sind Zweitaktmotoren auch in einem anderen Bereich besonders beliebt: dem Motorsport, insbesondere im Amateurbereich. Ich weiss nicht mehr, wann ich erfuhr, dass es so etwas wie Motorsport überhaupt gibt. Aber ich kann mir vorstellen, dass es ein unglaublicher Schock für mich gewesen sein und mein Weltbild und meinen Glauben an die Menschheit erschüttert haben muss. Sport mit Benzinmotoren! Meine kindlich-naive Naturschützer-Seele muss fassungslos gewesen sein. Bis anhin hatte all die Luftverschmutzung und Umweltzerstörung, die ich beobachtet hatte, ja noch einen Zweck, auch wenn ich kaum je der Ansicht war, dass dieser die verursachte Verschmutzung wert ist. Die Bäume wurden vielleicht für ein neues Gebäude abgeholzt, und auch wenn ein Motorrad mal unnötig lange laufen gelassen wurde, schlussendlich war es ein Fortbewegungsmittel.
Motorsport versucht aber nicht einmal, der verursachten Umweltverschmutzung irgend einen tieferen Zweck als den der Unterhaltung, des Vergnügens und des Wettkampfs gegenüberzustellen. Jetzt sah ich Menschen, die mit ihren Autos nicht irgendwo hin, sondern stundenlang im Kreis fuhren, und dabei literweise Benzin verbrannten. Ich verstand nicht, welche Gedanken sich diese Sportler*innen wohl machten. Wussten sie denn nicht, wie schädlich die Gase sind, die ihre Maschinen produzierten? War ihnen gar nicht bewusst dass das Benzin, welches sie zum Spaß verbrennen, eine endliche Ressource ist und unfassbaren Schaden anrichtet? Und war der Anblick der vielen Abgase nicht ein Hinweis darauf, dass dieser Sport vielleicht keine so gute Idee ist? Machten sich die Athlet*innen keine Sorgen um ihre eigene Gesundheit, so oft und lange wie sie die Abgaswolken ihrer Rival*innen inhalieren mussten? Ich konnte mir vorstellen, dass Motorsport wohl entstand, als man noch nicht wußte, wie schädlich Abgase sind. Aber wie konnte man diese Sportarten heute noch weiter betreiben, wo doch alle wissen mussten, wie wichtig es ist, die Umwelt zu schützen? Und warum taten eigentlich alle so, als wären das ganz normale Sportarten? Als wäre die Tatsache, dass das Sportgerät Benzin verbraucht und giftige Abgase produziert, nur ein kleiner, unwichtiger Unterschied zum Langlauf oder Radsport?
Schnell hat sich der Fokus meiner Entrüstung über unnötige Luftverschmutzung also an diese Szene geheftet, denn kaum sonstwo schien es mir so leicht, zu argumentieren, dass die Abgase völlig sinnlos produziert werden. Ich stellte fest dass es in vielen Disziplinen, abseits von Formel 1 und Konsorten, Vereine und Initiativen gab, um den Sport auch der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Ich erfuhr dass sogar Kinder, manche davon deutlich jünger als ich es damals war, von ihren Eltern in den Motorsport eingeführt wurden. Ich sah einen Fernsehbericht über Kindermotocross und lernte mit Entsetzen, dass dafür sogar Kindermotorräder hergestellt werden. Nicht etwa als Spielzeuge, sondern mit echten, kleinen Benzinmotoren die echte, giftige Abgase aus den Auspuffen bliesen. Bis dahin glaubte ich irgendwie noch, dass alle Kinder in meinem Alter ähnlich dachten wie ich, und meine Generation alles besser machen würde. Auf einmal hatte sich auch diese Hoffnung zerschlagen. Nun beobachtete ich am Fernseher, wie Siebenjährige um die Wette fuhren, und die Landschaft hinter sich in giftigen Abgaswolken zurückliessen, ohne scheinbar auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Meine Gefühle der Hilflosigkeit hatten eine neue Stufe erreicht.
Ständig erfuhr ich von weiteren Motorsportarten, von weiteren Einfällen, welche die Menschheit hatte, wo und wie man sonst noch zum Spaß und Freizeitvergnügen Benzin verbrennen konnte. Im Nachbarsdorf gab es im Untergeschoss eines alten Industriegebäudes eine Kartbahn mit Benzinkarts. Beim Gedanken daran, dass ich für ein bisschen Taschengeld dort selbst Benzin verbrennen könnte, wurde mir fast übel. Aber gelegentlich habe ich meiner morbiden Faszination auch dort nachgegeben und mich draußen vor ein Lüftungsgitter gestellt, durch welches die ganzen Abgase aus der Halle gepumpt wurden. Ich verspürte den Drang, meine Befürchtungen zu bestätigen dass die ganzen Abgase einfach in die Umgebung abgelassen werden, und mich durch ein paar Atemzüge zu vergewissern, wie schlimm es war. Ich dachte darüber nach, wie diese Umweltverschmutzung hier jeden Tag geschah, von morgens bis abends, auch wenn ich nicht da war um es mitanzusehen, und mir wurde mulmig. Dann stellte ich mir vor wie viele Tausend anderer Orte wie diesen es wohl geben mag, und mir wurde noch mulmiger. Im Urlaub am Meer lauschte ich den heulenden Motoren der Jetskis, die in der Bucht herumkurvten, und roch wie der Badestrand immer wieder von stechendem Abgasgestank durchzogen wurde. Das steuerte einen weiteren Aspekt an, der jeweils meine Empörung steigerte: wenn zur Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt auch noch die Gleichgültigkeit darüber kam, wie viele andere, unbeteiligte Menschen man mit den giftigen Gasen belästigt, die man zu seinem persönlichen Spaß produziert hat.
Motocross, Enduro, Quads, Supercross, Pocketbikes, Moto-Trials, Go-Karts, Jetskis, Schneemobile, Benzin-Modellautos… es schien mir, dass sich schon die ganze Welt unbekümmert mit Benzinmotoren vergnügt. Und fast überall waren die billigen, leichten Zweitakter an erster Stelle. Oft war die Menge der ausgestoßenen Abgase durch die vielen Athlet*innen auf engem Raum überwältigend. Oft führten die ausschliesslich auf Leistung optimierten Motoren und das Renn-Benzingemisch zu nochmals beißender riechenden, giftiger wirkenden Abgasen. Und oft waberten die Abgase nicht einfach über einer asphaltierten Straße irgendwo in der Stadt, sondern wurden, etwa beim Motocross, direkt in die schöne, grüne Natur geblasen, wo die blauen Giftwolken langsam über Wiesen und durch Wälder davonzogen. Ich konnte mir keine schlimmere Kombination für meine Wut, meine Trauer und mein Ohnmachtsgefühl gegen die Umweltverschmutzung vorstellen als diese unbegreifliche Schändung der Natur zur reinen Unterhaltung. Und gleichzeitig war es ein unglaublicher Adrenalinrausch, dieser ultimative Höhepunkt von allem, was mich bis dahin so stark beschäftigt, fasziniert, und fassungslos gemacht hatte.
5. Eine neue Perspektive
Man merkt es meiner Ausdrucksweise vermutlich schon an, aber irgendwann um diese Zeit kippte etwas. Meine Haltung gegenüber Benzinmotoren, Abgasen, Umweltverschmutzung und Motorsport war bis dahin immer eine völlig ablehnende, verbitterte. Aber dadurch, dass dieses Thema für mich so andauernd präsent war, dass es mich emotional so stark betroffen gemacht hat, und dass ich mich immer wieder dazu verleitet gefühlt hatte, die für mich so entsetzlichen, quälenden Anblicke leichtfertiger Luftverschmutzung aktiv aufzusuchen, entstand auch Platz für andere Gedanken.
Ich war enttäuscht von meinen Gleichaltrigen, welche mein grünes Gedankengut nicht teilten und die erste Gelegenheit, die sich ihnen bot, selbst Benzinmotoren zu verwenden, ergriffen. Aber ich wusste dass das auch bedeutete, dass ich inzwischen selbst alt genug wäre, Motoren zu verwenden. Ich fragte mich, was im Kopf eines Motocrossfahrers vorgeht, der vor dem Rennstart fünf Minuten lang sein Motorrad warmlaufen lässt, dabei immer wieder nach hinten blickt und die blauen Abgaswolken beobachtet, mit welchen er die frische Luft vergiftet. Ich fragte mich, ob ihm das nicht auch weh tut oder er sich dafür schämt. Damit fragte ich mich aber gleichzeitig auch, wie es sich wohl anfühlen könnte, so etwas Unverantwortliches und Böses zu tun, etwas, das Schäden und Verschmutzungen verursacht, die durch nichts wiedergutzumachen sind.
Wann und wie es genau passiert ist, ob es plötzlich war oder ein langsamer Prozess, kann ich heute nicht mehr sagen. Aber aus Entsetzen, Wut, Trauer, Fassungslosigkeit und Ohnmacht wurde erst eine allgemeine Faszination und Obsession, dann ein Reiz und eine Neugier, und irgendwann eine verbotene Lust. Ich musste mir eingestehen dass ich angefangen hatte, all die Dinge, die mich so belastet und betrübt hatten, auch anregend zu finden. Vielleicht war es der Reiz des Bösen und (in meinem Weltbild) Verbotenen, der Überhand nahm. Vielleicht haben mein Körper und mein Gehirn durch die ständige Beschäftigung mit dem Thema ein paar Dinge schief verknüpft und die falschen Schlüsse gezogen. Oder vielleicht war es ein ursprünglicherer, triebgesteuerter Prozess, ausgelöst durch chemische Stoffe in den Abgasen welche möglicherweise von Anfang an der Grund für meine damals noch unverstandene Faszination waren. Was auch immer es war, ich schätze dass ich ungefähr zehn Jahre alt war, als ich eines Tages dem Druck nachgab und meine ersten Tropfen Benzin in Abgase verwandelte.
6. Das Ende der Unschuld
Mein Vater besaß eine gelbe Motorsense von McCulloch, natürlich mit Zweitaktmotor. Selbstverständlich fielen mir die dicken, blauen Abgaswolken auf, in welchen das Gerät unseren Garten jeweils einhüllte. Die Luftverschmutzung, welche dieses Werkzeug verursachte, stand in keinem Verhältnis zur Größe des Geräts oder der primitiven Arbeit die es leistete. Unter lautem Geknatter verbrannte der Trimmer giftiges Zweitaktgemisch und verseuchte damit die eben noch frische Luft, nur um einen Mähfaden rotieren zu lassen, für eine Arbeit, die meiner Einschätzung nach mit einer Sense nicht viel anstrengender gewesen wäre. Es versteht sich also von selbst, dass mir dieser Freischneider ein Dorn im Auge war, genauso wie es sich von selbst versteht, dass ich nicht wegschauen konnte solange er lief, und ich die Abgaswolken entsetzt beobachten musste bis sich die letzte verflüchtigt hatte.
An diesem einen Samstag war es dann soweit. Meine Eltern hatten sich für ein paar Stunden aus dem Haus verabschiedet, um Einkaufen zu gehen. Mein Herz raste und das Adrenalin schoß mir durch die Adern, denn ich hatte meinen Plan gefasst: ich wollte den Motor der Sense einmal selbst starten. Erst um zu schauen, ob ich es hinkriege, dann um zu erfahren, wie sich das anfühlt. Benzin zu verbrennen, Abgase zu produzieren, ohne Sinn und Zweck, einfach weil man die Möglichkeit dazu hat.
Es dauerte eine ganze Weile, denn viel mehr als dass man kräftig die Anlasserschnur ziehen muss, wusste ich noch nicht. Stoppschalter, Choke und Ansaugpumpe waren mir noch fremd, und mein Arm war schon ziemlich erschöpft und verkrampft, als es endlich klappte. Der Motor sprang an, er knatterte, aus der kleinen Öffnung puffte blauer Rauch in die Werkstatt. In den Geruch von unverbranntem Benzin von den vielen fehlgeschlagenen Startversuchen mischte sich endlich auch der Greuch von echtem, frischem Abgas. Ich hatte es getan.
Beim ersten Erfolg rutschte mir sofort das Herz in die Hose. Panikartig tastete ich nach dem Stoppschalter und stellte den Motor wieder ab. Ich spürte meinen Herzschlag im Hals, und musste mich erst einmal beruhigen und meine Gedanken ordnen, was gerade passiert war. Aber meine Entscheidung stand fest, ich würde meinen Plan durchziehen, den Motor wieder starten und diesmal länger laufen lassen. Ich stellte den Stoppschalter zurück auf Betrieb und zog erneut an der Schnur, bis der Motor wieder zu seinem ruchlosen Leben erwachte. Ich kniete mich vor den Trimmer und beobachtete, wie er leicht auf dem Boden herumhüpfte und heiter gleichmütig knatterte, als wäre nichts Schlimmes daran. Natürlich blickte ich gebannt auf die winzige, runde, schwarze Auspufföffnung, aus der jetzt unablässig die würzigen Abgase strömten. Immer wieder ungläubig darüber, welche Mengen an Luft ein so kleines Gerät mit so wenig Benzin verderben kann.
Ganz genau erinnere ich mich noch an ein bestimmtes Gefühl und einen Gedankengang. Der Motor lief, weil ich ihn angelassen hatte, niemand sonst. Ohne mich wäre diese Umweltverschmutzung, die hier und jetzt im Gange ist, nicht passiert. Die Luft, die hier als Abgas wieder aus dem Auspuff kommt, ist unwiederbringlich verpestet, und ich bin es, der sie vernichtet hat. Vor allem aber auch: der Motor lief weiter, und es läge in meiner Macht, diese sinnlose Luftverschmutzung sofort zu stoppen. Mit einer kleinen Fingerbewegung könnte ich den Stoppschalter rüberknipsen, den Motor ausmachen und so ein kleines Stück Umwelt vor der Zerstörung retten. Und ich entschied mich bewusst dazu, es nicht zu tun. Zum ersten Mal schaute ich nicht hilflos dabei zu, wie andere die Luft verschmutzten, ohne etwas dagegen tun zu können. Diesmal gab es eine einfache Möglichkeit, die Luftverpestung sofort zu verhindern. Ich genoss das Gefühl, diese Möglichkeit nicht zu ergreifen, und versuchte zu verstehen, warum es sich so gut anfühlte. Ich schaute den Trimmer an, beobachtete die Abgaswolken, hörte dem Motorengeknatter zu, roch die Abgase, und versank im Moment. Ich erfreute mich am Adrenalinrausch, meine Gedanken überschlugen sich mit all den zwiespältigen und widersprüchlichen Gefühlen, und ich saß einfach nur da und vergnügte mich.
Ich denke, von diesem Tag an war der Damm gebrochen. Zwar behielt ich immer meine umweltbewusste Grundeinstellung. Ebenfalls hütete ich mich davor, in meinem Alltag mit Motoren in Kontakt zu kommen, fuhr nie Moped als alle Freunde dies getan haben, ging nicht auf die Kartbahn und tat so, als würde mich das Motorenkonzert und die stickige Abgas-Show nach Schulschluss vor dem Pausenplatz nicht interessieren. Zu gross war die Angst, jemand könnte herausfinden, dass ich Gefallen daran fand. Aber ich hatte den Kick erlebt, gegen meine eigenen Prinzipien zu verstoßen. Ich hatte die Grenze überschritten und diese niederträchtige Sache, die mich immer so aufgewühlt hatte wenn ich andere dabei beobachtete, zu meinem eigenen Vergnügen selbst getan. Ab diesem Punkt gab es kein Zurück mehr und ich wusste, dass ich es immer wieder tun würde.
Es sind zwei Seiten meiner Persönlichkeit, die bis heute parallel existieren. Auf der einen meine leicht naiv gebliebene Seite des umweltbewussten Menschen, der ich als Kind schon immer war. Die Seite, die eigentlich auch meine Weltsicht und meine politischen Einstellungen grösstenteils prägt. Und auf der anderen Seite ein Mensch, dem gerade diejenigen Dinge Freude und Vergnügen bereiten, welche für mich als kleinen Jungen besonders schmerzhaft waren. Diese Seite entwickelte sich nicht an diesem Samstag, als ich den kleinen Motor startete. Sie war schon lange vorher da, vielleicht sogar genauso lange wie der Umweltschützer in mir, und drängte sich Jahr für Jahr etwas mehr in den Vordergrund.
Diese Hälfte meiner Persönlichkeit war rein passiv. Ich gab ihr nach, wenn ich andere dabei beobachtete, wie sie skrupellos die Luft verschmutzten. An diesem Tag überwand ich aber meine eigenen Skrupel, meine dunkle Seite verlor ihre Passivität und ich fing an, dieses Verlangen aktiv selbst zu erfüllen. Je unsinniger und unnötiger der Einsatz des Benzinmotors, desto besser fühlte es sich an. Je dicker und grösser die Abgaswolken, desto schöner. Je giftig-bläulicher die Farbe, desto reizender. Je stechender sie stinken, desto aufregender. Und, zum Leidwesen des Umweltfreunds in mir, auch abseits der reinen Sinneswahrnehmungen: wenn ich rational weiss, dass diese Abgase besonders schädlich für die Umwelt sind, oder sie an dem Ort, an dem sie ausgestoßen werden, besonders viel Schaden anrichten können, dann ist das aufregende Gefühl noch intensiver. Und ein besonderer Kick ist es, wenn Aussenstehende auf die unverhältnismäßigen Abgaswolken aufmerksam werden, meine Luftverpestung vielleicht als sinnlos empfinden und vielleicht sogar bemerken dass mir gerade das Produzieren und Beobachten der Abgaswolken sogar Spaß zu machen scheint. Ein bisschen stelle ich mir dann dabei vor, dass sie vielleicht ähnlich emotional darauf reagieren wie meine eigene umweltbewusste Seite.
Ich möchte noch einmal betonen, dass ich mich im Alltag weiterhin sehr verantwortungs- und rücksichtsvoll zu verhalten versuche. Ich unterstütze Bemühungen, den Klimawandel und die Naturzerstörung einzudämmen. Ich trenne meinen Müll, vermeide Verpackungen, bin hauptsächlich zu Fuß, mit dem Fahrrad und dem öffentlichen Verkehr unterwegs. Diese "dunkle Seite" meiner Persönlichkeit hat mein umweltbewusstes Selbst nicht ersetzt, ganz im Gegenteil! Denn ohne mein starkes Umweltbewusstsein würde diese Faszination gar nicht erst funktionieren. Das prickelnde Gefühl, die Nervosität und das Adrenalin, der Reiz und das Vergnügen, all das funktioniert just dank diesem Spannungsverhältnis zwischen meinen gegensätzlichen Neigungen, der Traurigkeit und Entrüstung über Abgase auf der kopfgesteuerten Seite, und der Anziehung und Erregung durch sie auf der emotionalen Seite.
7. Wie man sich kleidet
Ich habe nun schon einige Details und Aspekte beschrieben, die als Kind meine Betroffenheit und Wut besonders geweckt hatten, und später zu Vorlieben wurden. Diese sind nach wie vor meine Lieblingsthemen: Zweitaktmotoren und ihre Abgase, Motorsport (insbesondere Motocross und Karting), Abgase die nur zum Spaß oder ohne wirklichen Zweck produziert werden, Gleichgültigkeit gegenüber der verursachten Luftverschmutzung und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Mitmenschen, welche den ganzen Dreck dann wieder einatmen müssen. Sogar eine Vorliebe für Zweitakt-Rasentrimmer habe ich mir bewahrt! Auf dieser Website werde ich aber auch auf einige weitere Dinge eingehen, für die ich eine Schwäche habe, die mal mehr, mal weniger direkt mit dem Abgasthema zusammenhängen.
Einfach zu erraten ist meine Vorliebe für Motorsportausrüstung, welche entstand, als ich die Welt des Motorsports zu entdecken begann. Es sind mehrere Faktoren, die mich daran so in den Bann gezogen haben. Zum einen die Tatsache, dass es überhaupt speziell für den Motorsport vorgesehene Kleidung und Schutzausrüstung gibt. Zu meiner großen Bestürzung begann ich zu begreifen, wie viele Menschen dem Motorsport verfallen sind und welch große Industrie dahinter steckt, auch für die Ausrüstung der Pilot*innen. Das Angebot an Rennanzügen, Helmen, Protektoren und sonstigem Zubehör ist überwältigend und zeigt, wie massentauglich und salonfähig motorisierte Freizeitaktivitäten heutzutage sind. Zweitens ist es die unmissverständliche Botschaft die eine Person aussendet wenn sie diese Kleidung trägt, oder nur schon besitzt. Sie dient nur einem einzigen Zweck, und der ist nicht einfach nur das Verbrennen von Benzin, sondern eindeutig und ausschließlich das Verbrennen von Benzin zum Sport oder reinen Vergnügen. Einen Rennoverall trägt man nicht, wenn man den Benzinmotor für einen Transport oder eine Reise von A nach B verwenden will. In einen Rennanzug schlüpft man dann, wenn man das Benzin nur zum eigenen Vergnügen und ohne nachhaltigen Nutzen verbrennen wird.
Drittens wird die Ausrüstung mit Stolz getragen, man schämt sich nicht dafür, dass man zum Spaß die Lebensgrundlage der Menschheit zerstört. Ohne Zweifel wird Rennsportbekleidung auch gezielt entworfen, um attraktiv und sexy auszusehen. In einem witzigen Widerspruch dazu, was aus biologischer Sicht in der Partnerwahl sinnvoll wäre, sollen jene Menschen besonders begehrenswert sein, die keinen Respekt vor der Umwelt zeigen, in welcher zukünftige Generationen leben müssen. Wer sich an den Ruf der Mitschüler*innen erinnert, die als erste mit dem Moped zur Schule kamen, wird feststellen, dass das nicht weit hergeholt ist. Zudem sind auch Motorsportler*innen körperlich äußerst fit. Entegen dem Vorurteil, dass der Motor ja die ganze Anstrengung übernimmt, stellen Motorsportarten hohe körperliche Anforderungen. Einen leistungsstarken Motor zu bedienen und zu bändigen signalisiert Stärke, und Stärke ist attraktiv, auch wenn es auf Kosten der Natur geht. So profitiert man auch als Rennfahrer*in vom Attraktivitätsbonus der Sportlichkeit, trotz scheinbar totaler Entfermdung von allem Natürlichen.
Das führt mich zum vierten Punkt: wie sehr von seiner Natur entfremdet ein Mensch aussieht, der für den Motorsport gekleidet ist. Meistens ist, ausser vielleicht einem Blick durch die Brille oder das Helmvisier, kein Stück Haut mehr zu sehen. Motorsportler*innen sind vollständig eingehüllt und nur noch der Körperform nach als Mensch zu erkennen. Für mich steht das symbolisch für die Einstellung, als Mensch über der Natur zu stehen, nicht Teil von ihr zu sein und sich von ihr abgrenzen zu wollen, sie zu beherrschen, ausbeuten und verwüsten zu können und zu dürfen. Wer Endurofahrer*innen beobachtet wie sie eingehüllt in synthetische Offroad-Schutzkleidung, mit schweren Stiefeln, Helm und Brustpanzer lärmend und stinkend durch den Wald heizen, dem drängt sich nicht unbedingt der Gedanke auf, dass hier natürliche Lebewesen ihren Lebensraum geniessen, sich als untrennlichen Teil von ihm verstehen und ihn respektvoll behandeln. Vielmehr sehen sie aus – und das ist mein fünfter Punkt – als würden sie versuchen, sich vor Natur und Umwelt zu schützen. Die Ironie, die mir daran besonders gefällt, ist, dass es in jenem Moment sie selbst sind, welche die Umwelt durch ihr Gift erst gefährlich machen. Die Hobbyfahrer auf der Kartbahn tragen einen Overall, damit ihre Kleidung nachher nicht nach Abgasen stinkt, obwohl sie selbst diese Abgasbelastung mitverursachen und anderen Fahrern Auspuffgase in die Kleidung pusten. Man kann die Schutzkleidung wie ein Eingeständnis interpretieren, wie unnatürlich und schädlich der Sport ist. Aber natürlich zieht man daraus nicht den Schluss, es bleiben zu lassen. Man hüllt sich in so viel Schutzausrüstung wie nötig, um unter allen Umständen und um jeden Preis weiter verschmutzen zu können.
Vielleicht hilft einigen Motorsportler*innen diese optische Entfremdung auch bei der Bewältigung einer kognitiven Dissonanz. Von Kopf bis Fuß in die Ausrüstung eingepackt sieht man nicht mehr wirklich wie ein Mensch aus, also fühlt es sich weniger paradox an, die eigene Lebensgrundlage zu zerstören. Und wer sein Gesicht unter einem Helm versteckt wird wohl auch weniger mit etwaigen Schuldgefühlen konfrontiert, sei es, weil man sich selbst im Spiegel nicht mehr in die Augen sehen muss, oder weil man unerkannt bleiben kann während man die Atemluft seiner Freunde, Familie, Nachbarn und anderer Mitmenschen verpestet. Zumindest bei mir persönlich scheint dieser Effekt zu funktionieren. Sobald ich auf der Kartbahn in den Overall schlüpfe und den Helm aufsetze, ist das schlechte Gewissen des Umweltschützers in mir leichter zu bewältigen. In voller Rennmontur versteht meine grüne Seite, dass sie momentan nichts zu sagen hat, dass die Entscheidung, was ich tun werde, bereits gefallen ist.
Zu guter Letzt steht für mich noch die Tatsache, dass Motorsportausrüstung selbst eigentlich eine Umweltsünde ist. Wir hüllen uns in synthetische Fasern und Plastik, allesamt nicht abbaubare Materialien, welche noch Jahrtausende nachdem wir unseren Spaß hatten irgendwo die Welt vermüllen werden, oft auch giftige Stoffe absondern. Während wir mit unseren aus unnatürlichen und giftigen Materialien bestehenden Fahrzeugen einen giftigen Treibstoff verbrennen und die giftigen Abgase in die Luft entlassen, schützen wir uns selbst, indem wir Kleidung und Protektoren anziehen, die ebenfalls giftig und unnatürlich sind. Der Kreislauf schließt sich. Unser Jetski mag den Ozean mit Benzin und Öl vollsabbern, aber auch unser Neoprenanzug und die Schwimmweste füllen das Meer mit Mikroplastik. Selbst wenn wir eine Pause einlegen und unsere Motorräder ausmachen, wäscht der Regen giftige Weichmacher aus unserem Regenoverall in den Waldboden.
Aus den letzten Gründen haben sich meine Vorlieben auch auf einige synthetische Kleidungsstücke und Schutzausrüstungen abseits des Motorsports erweitert, etwa synthetische Wintersportkleidung, Regenkleidung, oder Chemie-Schutzanzüge. Interessant finde ich daran aber, dass ich als kleiner Junge auch synthetische Kleidung gar nicht ausstehen konnte. Je künstlicher und steifer sich der Stoff anfühlte, je lautere Ribschgeräusche er machte, und je penetranter er nach Plastik und Chemie roch, desto widerlicher war das Stück für mich. Ebenfalls Faktoren, welche über ihre Unnatürlichkeit und implizierte Abgrenzung gegenüber der Natur später einen besonderen Reiz entwickelt haben. Auch hier gab es also eine Wandlung von Abscheu zu Interesse.
8. Baum fällt!
Ein letztes Thema gibt es noch, das auf dieser Seite präsent sein wird, aber auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz ins Konzept passt. Auch für Baumfällungen und Waldrodungen habe ich eine Schwäche.
Als umweltbewusster Junge habe ich natürlich auch gelegentlich beobachtet, wie Bäume gefällt wurden oder im Fernsehen von der Abholzung des Regenwaldes erfahren. Auch da erinnere ich mich an überwältigende Traurigkeit und Gefühle der Machtlosigkeit. Es ist also möglich, dass diese Entwicklung analog jener der Abgase ablief, und meine Fixierung auf das Thema der Baumfällungen ebenfalls irgendwann zusätzliche Facetten annahm. Da sich meine Faszination für Baumfällungen aber auf Fällungen mit Benzin-Kettensägen beschränkt, vermute ich einen direkteren Zusammenhang.
Auch hier gibt es zudem ähnliche Faktoren wie bei den Abgasen, die eine Baumfällung für mich besonders eindrücklich und schmerzlich machen. Wenn kranke Bäume gefällt wurden war ich weniger entsetzt, als wenn prächtige, scheinbar gesunde Bäume zu Boden gingen. Je größer der gefällte Baum, desto mehr tat es weh, ebenfalls wenn gleich ein ganzes Waldstück dem Erdboden gleichgemacht wurde. Der Gedanke, dass ein großer Baum womöglich hundert Jahre oder mehr dort gewachsen war und jetzt von einem jungen Menschen innert weniger Minuten gefällt wird, hat mich noch nie in Ruhe gelassen. Bäume, die stückweise zersägt oder abtransportiert werden, sind weniger interessant; das Adrenalin geht hoch, wenn sie nach einigen Minuten Motorengeheul langsam zu kippen beginnen, an Fahrt gewinnen und dann tosend zu Boden krachen. Richtig zappelig wurde ich immer auch, wenn die Bäume meiner Meinung nach aus sinnlosen Gründen gefällt wurden, etwa um die Aussicht eines Wohnhauses zu verbessern.
Das unverkennbare Geräusch von heulenden Motorsägen im Wald funktioniert bei mir heute noch wie eine Pawlow'sche Glocke. Schon als Junge habe ich bei diesem Geräusch denselben Drang verspürt wie bei den Abgasen. Ich musste es unbedingt beobachten und Zeuge dieser Umweltzerstörung sein. Habe ich die Baumfäller nicht direkt gesehen, habe ich versucht die Geräusche zu orten und oft minutenlang aus der Ferne die Baumwipfel beobachtet. Ich habe gleichzeitig versucht, rechtzeitig zu erkennen welcher Baum verdächtig stark schaukelt und wohl gleich zu Boden fallen wird, aber immer auch gehofft, dass es keiner sein wird. Manchmal passierte nichts, die Arbeiter haben wohl andere Arbeiten verrichtet. Manchmal bewahrheiteten sich meine schlimmsten Befürchtungen, und es war einer der größten und schönsten Bäume der umkippte, wobei ich dann gleichzeitig unendlich traurig über den Tod dieses schönen Lebewesens, von der Beobachtung der Fällung aber auch wahnsinnig angeregt war. Und manchmal gab ich die Suche auf, nur um später feststellen zu müssen, dass eine ganze Baumgruppe für immer verschwunden war und ich den Augenblick der Zerstörung verpasst hatte. Es gibt abseits des Triggers der Kettensägengeräusche aber auch ein Schlüsselereignis in meiner Erinnerung, bei welchem das Fällen von Bäumen vielleicht ganz direkt mit meinen Gefühlen zu Abgasen gekoppelt wurde.
Wie viele Kinder hatte ich einen Lieblingsbaum. Er war ein großer, zweistämmiger Laubbaum (ich vermute, eine Eiche) auf einer kleinen Wiese, den ich von meinem Kinderzimmer aus sehen konnte. Er war somit ein ständiger Begleiter meiner Kindheit, bei jedem Blick aus dem Fenster da. Wir Kinder der Nachbarschaft haben oft in seinem Schatten gespielt oder ihn beklettert. Eines Tages, ich schätze ich war etwa sieben oder acht Jahre alt, sah ich, dass der Stamm des Baumes mit roter Farbe bemalt wurde. Ich wusste, dass dies nichts Gutes bedeuten konnte. Einige Tage später sah ich dann tatsächlich, wie sich zwei Arbeiter in leuchtend-oranger Schutzkleidung (siehe Thema oben…) an die Arbeit machten. Schnell verschwand ich in meinem Zimmer, um den Schrecken, den ich vermutete, ungestört beobachten zu können. Natürlich bewahrheiteten sich meine Befürchtungen. Einer der Arbeiter startete eine Motorsäge und begann, erst den einen, dann den anderen Stamm meines Lieblingsbaumes durchzusägen. Zwei Mal musste ich mit ansehen, wie je eine Hälfte des majestätischen Baumes zu Boden kippte. Die Fällung wird wohl nur wenige Minuten gedauert haben, aber ich hatte das Gefühl, der Lärm der Motorsäge dauere ewig an. Das schreckliche, brutale Motorengeheul brach immer wieder etwas ein, wenn die Kette tiefer in den Baumstamm eindrang und durch den Widerstand des Holzes gebremst wurde. Es klang, als ob sich mein Lieblingsbaum zu wehren versuchte, und das Geräusch drang mir bis in die Knochen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich meine andere Seite, welche Gefallen an Abgasen fand, schon entdeckt. Ich hätte die Abgase der Kettensäge nicht riechen können, dafür war der Baum zu weit weg. Aber wie es das Schicksal wollte, stieß das Gerät gelegentlich deutlich sichtbar eine kleine blaue Abgaswolke aus. Die so aufregend miteinander in Konflikt stehenden Gefühle waren ausgelöst, und ich genoss den traurig gefärbten Nervenkitzel. Spätestens jetzt war auch bei Baumfällungen meine zweite, vom "Bösen" angeregte Seite erwacht. Es fühlte sich wie eine zusätzliche Demütigung und Schändung meines Lieblingsbaumes an, dass die Kettensäge, mit welcher er getötet wurde, ihn auch noch mit giftigen Abgasen anblies. Auch heute hat der Gedanke immer noch denselben Effekt auf mich, wenn ich sehe, wie knatternde und stinkende Motorsägen benutzt werden um Bäume zu fällen. Als ob das Fällen der Bäume nicht schon der Umweltzerstörung genug wäre, beschleunigt man den Prozess auch noch mit Geräten die, wie zum Hohn, zusätzlich noch die Luft des Waldes verpesten um auch die Vegetation, die gnädigerweise stehen gelassen wurde, noch zu vergiften. (Und wenn du noch mehr Ironie bezüglich Mensch gegen Umwelt möchtest: Waldarbeiter haben ein bedeutend höheres Risiko, an Atemwegsbeschwerden zu erkranken. Obwohl sie den ganzen Tag in vermeintlich frischer Waldluft arbeiten, führen ihre stinkenden Zweitakt-Motorsägen und der Mangel and Wind im Wald bisweilen dazu, dass sie stundenlang in einer Smogglocke arbeiten und atmen, die von ihren eigenen Werkzeugen verursacht wurde.)
9. Ende der Geschichte?
Im Grunde genommen hat sich an meinen Einstellungen, Gefühlen und Vorlieben nicht mehr viel verändert, seit ich etwa zwölf Jahre alt bin. Was sich verändert hat ist mein Verständnis und meine Theorien dafür, warum es sich so entwickelt haben könnte. War ich bis ins Teenageralter noch überzeugt davon, der einzige Mensch auf der Welt mit diesem spezifischen Wirrwarr im Kopf zu sein, durfte ich durch das Internet erfahren, dass es weltweit Tausende Gleichgesinnter gibt. Und angesichts dessen, wie schwierig es den meisten Menschen zu fallen scheint, überhaupt darüber zu sprechen oder gar es sich selbst einzugestehen, denke ich, dass die Zahl noch sehr viel höher liegt.
Was sich auch verändert hat, ist mein Umgang mit dem Thema. Als Teenager hatte ich Phasen, während welcher ich diese Neigungen unbedingt loswerden wollte. Das Unterdrücken der Gefühle hat natürlich nicht funktioniert, ich habe mir nur zusätzliche Selbstvorwürfe und Schamgefühle beschert. Irgendwann kam die Erkenntnis, dass man seine Persönlichkeit so akzeptieren muss, wie sie ist, anstatt dagegen anzukämpfen (schliesslich kommt dadurch ja auch niemand zu Schaden). Und irgendwann die Einsicht, dass man nur einmal lebt, und man etwas, das einem große Freude bereitet, sei es noch so unsinnig und bizarr, so intensiv wie möglich ausleben und geniessen sollte.
Diese Website ist einer meiner Wege, es auszuleben und zu geniessen. Ich schreibe diese Seiten, um mich selbst zu erinnern und eventuell mehr darüber zu erfahren, wie alles so passieren konnte, wie es passiert ist. Um meine eigenen Vorlieben und deren Entwicklung und Zusammenhänge besser zu verstehen, werde ich versuchen, die verschiedenen Facetten zu beschreiben und zueinander in Beziehung zu setzen. Diese Seiten werden den Kern der Website bilden, und viele Teile dieser Geschichte wieder aufgreifen oder ersetzen.
Mein Hauptziel mit der Website ist und war schon immer, mehr Leute zu erreichen, die ähnlich fühlen wie ich, und vielleicht immer noch mit der Sache kämpfen und sich alleine fühlen. Primär soll die Seite sagen: es gibt viele von uns, und so sieht es bei mir aus. Da ich gerne schreibe, erzähle ich hier in vielen Worten meine Geschichte. Aber natürlich ist auch unter uns Gleichgesinnten jede Geschichte anders. Die Einführung und die später folgenden Seiten zu allen möglichen Facetten (inklusive Anschauungsmaterial!) präsentieren meine. Die Seite richtet sich zwar auch an Gleichgesinnte (Anschauungsmaterial!), aber vor allem an potentielle, verunsicherte, vielleicht verhinderte Abgasfreunde, die hiermit hoffentlich erfahren können, dass sie nicht alleine sind. Mein Lieblingsgewinn aus dieser Website ist nach wie vor, dass sich regelmässig Leute bei mir melden, die erleichtert sind und ihre eigene, manchmal sehr ähnliche Geschichte erzählen und sich austauschen möchten. Aber natürlich sind die Seiten öffentlich und somit auch für alle da, die ganz einfach nur an einem Einblick in eine nicht ganz alltägliche Subkultur interessiert sind.
Bis bald und gebt Gas!