Wie das gemeinnützige Netzwerk Pro Publica berichtet (englisch), hat die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA diesen Frühling neue Zusatzstoffe für Schiffsbenzin von Chevron zugelassen, deren Abgase millionenfach krebserregender sind als es die Richtlinien normalerweise erlauben würden. Diesen Abgasen kontinuierlich ausgesetzt würden statistisch gesehen nahezu 100% aller Menschen an Krebs erkranken.
Die U.S.-amerikanische Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) ist dem Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung verpflichtet. Zu ihren Verantwortlichkeiten gehört im Rahmen des Immissionsschutzgesetzes (Clean Air Act) auch die Regulierung der chemischen Zusammensetzung von Kraftstoffen. Bevor neue Treib- oder Zusatzstoffe auf den Markt gebracht und verbraucht werden dürfen, müssen diese von der EPA bewilligt werden. Um diese Bewilligung kümmert sich die Unterbehörde OCSPP (Office of Chemical Safety and Pollution Prevention, übersetzt das Amt für Chemiesicherheit und die Vermeidung von Umweltverschmutzung), welche zur Aufgabe hat, die Risiken neuer Chemikalien für die Umwelt und die menschliche Gesundheit abzuklären. Trotz des überwältigenden Krebsrisikos, welches von den Abgasen ausgeht, hat die Umweltschutzbehörde die neuen Treibstoffe fast ohne Einschränkung zugelassen.
Durch den jetzt offiziell erlaubten Einsatz der neuen Chemikalien als Treibstoff in der Schifffahrt, können die höchstgradig krebserregenden Schadstoffe nun frei in die Atmosphäre entweichen und in Gewässer austreten. Anhand der Daten hat Pro Publica errechnet dass ein Mensch, der dauerhaft Luft einatmet welche durch die Abgase verunreinigt ist, die ein Bootsmotor bei Verbrennung des neuen Treibstoff ausstößt, ein 130%-iges Risiko hat zu Lebzeiten an Krebs zu erkranken. Anders ausgedrückt: bei durchschnittlicher Lebenserwartung würde an einem Ort, wo die Atemluft mit diesen neuartigen Abgasen belastet ist, jeder einzelne Mensch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Krebs bekommen.
Ebenfalls untersucht wurde das Risiko durch den Verzehr von Fisch, welcher in Gewässern lebt die durch die neuen Chemikalien verunreinigt sind. Dort wurde errechnet dass aus 100 Menschen, welche solchen Fisch essen, auf die ganze Lebenszeit gerechnet sieben an Krebs erkranken werden. Das Risiko ist damit gut 70'000 mal höher als es die Behörde üblicherweise erlauben würde.
Die EPA kann neue Treibstoffe nicht nur komplett verbieten indem sie den Herstellern die Genehmigung verweigert. Sie kann Herstellern auch Auflagen für eine Zulassung erteilen. So könnte sie etwa weitere Untersuchungen zu Gesundheits- und Umweltrisiken anordnen. Sie kann von den Herstellern auch Luftqualitätsmessungen verlangen oder anordnen, dass Maßnahmen getroffen werden, um den Ausstoß von Schadstoffen möglichst zu reduzieren. Trotz der hohen Giftigkeit hat die EPA keine solche Forderungen gestellt. Die einzige angeordnete Schutzmaßnahme ist, dass die Raffineriemitarbeiter bei der Herstellung des Stoffes Handschuhe tragen müssen.
Chevron gibt an, den neuen Treibstoff noch nicht kommerziell zu produzieren, doch mit dem Segen der EPA ist die Tür nun offen. In den Dokumenten ist von zunächst 100 Standorten die Rede, wo die neuen Treibstoffe zum Einsatz kommen sollen. Welche dies sind, ist aber nicht öffentlich bekannt. Menschen, welche etwa in der Nähe eines Bootshafens leben oder arbeiten, werden es also nicht erfahren wenn die Bootsmotoren ihre Atemluft demnächst mit den neuen, hochgradig giftigen und tödlichen Abgasen zu verpesten beginnen. Zudem setzen gerade Bootsmotoren die Menschen häufig besonders direkt und konzentriert ihren Abgasen aus. Sie werden oft, auch wenn das Boot geankert ist, über lange Zeit im Leerlauf gelassen, und der Wind weht die giftigen Gase kontinuierlich in Richtung Ufer. Zwar ist noch unklar ob der Treibstoff auch für kleine Bootsmotoren verkauft werden soll, doch auch bei Freizeit-Ausfahrten mit dem Motorboot halten sich die Entspannung suchenden Menschen oft bei laufendem Außenbordmotor auf See, inmitten der Abgaswolke auf.
Seit einer radikalen Restrukturierung im Jahr 2017 steht die EPA stark in der Kritik, dem Einfluss von Interessengruppen der Industrie zu unterstehen, wissenschaftliche Resultate zu verwerfen wenn diese der Wirtschaft schaden könnten, und die Profite privater Unternehmen höher zu gewichten als den Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung. Die neuen Enthüllungen zu den Treibstoffzulassungen folgen auf drastische Budgetkürzungen, zahlreichen, angeblich politisch erzwungenen Personalwechseln, und mehreren Versuchen, bereits eingeführte Schutzmaßnahmen zur Wahrung der Wasser- und Luftqualität wieder aufzuheben. Dies verleitete den angesehenen Klimaforscher Benjamin D. Santer zur Aussage, das Kürzel der Umweltschutzbehörde, EPA, müsste nun für "Environmental Pollution Agency" stehen, da sie heute also eine regelrechte "Umweltverschmutzungsbehörde" ist.
Quellen
- EPA Approved a Fuel Ingredient Even Though It Could Cause Cancer in Virtually Every Person Exposed Over a Lifetime (Sharon Lerner, Pro Publica, co-published with The Guardian)
- Environmental Protection Agency (Wikipedia)