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Die Abgas-Homepage

Willkommen im Benzinreservat

Alles über Benzin, Motoren und Abgase in Sport und Freizeit.

Eine entsetzliche Benzinverschwendung

Benzinmotoren sind unverschämte Maschinen. Sie sind laut, dreckig und stinken. Sie verbrennen nicht erneuerbare, fossile Brennstoffe und vergiften die Umwelt. Wer sie einsetzt, verpestet rücksichtslos die Atemluft von uns allen und zwingt uns dazu, die schädlichen, krebserregenden Abgase einzuatmen. Motorisierte Werkzeuge und Fahrzeuge zu verwenden ist eine persönliche Entscheidung, aber wir alle leiden unter den Folgen: schwere Gesundheitsschäden, eine verseuchte Natur und ein verheerender Klimawandel.

In Verkehr und Industrie könnte man die Schäden, die Benzin- und Dieselmotoren verursachen, vielleicht noch durch die wichtige geleistete Arbeit rechtfertigen. Aber es gibt noch eine andere Seite. Millionen von Menschen verbrennen Benzin aus viel leichtsinnigeren Gründen. Sie unternehmen Spritzfahrten, pflegen ihre Gärten mit Benzin-Laubbläsern oder nehmen am Motorsport teil. Obwohl diese Motoren unsere Lebensgrundlage zerstören dürfen wir alle nach Belieben volltanken, am Gas drehen und die Luft verpesten, auch ohne jeden Sinn und Zweck. Es ist eine unverschämte Verschwendung, moralisch verwerflich, und gleichzeitig völlig legal.

Blick von hinter einem Go-Kart-Rennfahrer in einem schwarzen Rennanzug. Der Go-Kart bläst eine dicke, blaue Abgaswolke aus dem Auspuff.
Foto von Takashi Azuma (Azuma303), lizenziert unter CC BY-NC 2.0.

Diese Seiten befassen sich mit dem unbekümmerten und sinnfreien Einsatz von Verbrennungsmotoren, sowie den Menschen, die scheinbar keine Skrupel kennen, unsere Umwelt für ihr persönliches Vergnügen zu verwüsten. Es gibt kaum einen Bereich des Lebens in welchem Menschen nicht einen Weg gefunden hätten, Verbrenner einzusetzen. Ob sie mit Freund*innen die Kartbahn besuchen, eine Ausfahrt auf einem Jetski genießen, ihren Rasen mähen oder an der Gartenparty die Musikanlage mit einem benzinbetriebenen Stromgenerator speisen – sie lieben es, ihre Hobbies und Freizeitaktivitäten aufzupeppen indem sie ein paar Motoren dazugeben und reichlich Treibstoff verbrennen. Sie haben das Recht dazu, und wir haben kein Recht, sie davon abzuhalten. Aber wir können uns auch nicht dagegen wehren, dass sich unsere Lungen mit den giftigen Abgasen füllen, die aus ihren Auspuffen strömen.

Motocrossfahrerinen am Rennstart. Eine dicke Wolke aus Zweitaktabgasen schießt aus dem Auspuffrohr eines der Motorräder.

Für viele gilt das Verbrennen von Benzin nur zum Spaß und Vergnügen als unvernünftig, schamlos, rücksichtslos und verachtenswert. Ein großer Teil der Bevölkerung scheint aber anderer Meinung zu sein. Über die Jahrzehnte hat sich eine vielseitige und leidenschaftliche Subkultur rund um die motorisierte Freizeit entwickelt. Ich nenne sie Benzinkultur.

Vom Kartfahren, über Motocross, bis hin zu Jetskis im Meer, Schneemobilen in den Bergen, Spritztouren auf dem Motorroller oder Modellautos mit Verbrennungsmotor gibt es etwas für jeden Geschmack und jede Gelegenheit. Es gibt Motorsportarten und motorisierte Hobbies für absolute jede*n, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Fähigkeiten, Mitteln, Ansichten und Interessen. Benzinkultur ist überall, und ihre Anhänger*innen legen mehr Wert auf ihren persönlichen Spaß und Nervenkitzel als auf eine intakte Umwelt, die Gesundheit ihrer Mitmenschen oder gar ihre eigene.

Die Spitze des menschlichen Fortschritts?

Verbrennungsmotoren sind eine der beeindruckendsten Errungenschaften des menschlichen Erfindergeistes und der Ingenieurskunst. Nachdem Erdöl schnell zum ergiebigsten, praktischsten, billigsten und effizientesten Energieträger wurde, entwickelte die Menschheit unzählige Ideen wozu man diese neuen, erstaunlichen Maschinen einsetzen könnte.

Ein Motocrossfahrer füllt den Benzintank seines Motorrades mit Zweitaktgemisch.

Benzinmotoren ersetzten nicht nur ältere Antriebe in Industrie und Verkehr. Durch ihre unbändige und direkte Kraft machte es auch unheimlich viel Spaß, die Motoren zu bedienen. Fast alles lässt sich mit einem Benzinmotor aufregender machen. Wir haben sie versiegelt, um sie im Wasser einzusetzen, verkleinert, um sie in Fahrzeuge für Kinder zu verbauen, und leichter gemacht, um sie für die Gartenarbeit als Rucksack mit uns herumtragen zu können. Wir haben Lichtmaschinen angehängt, um mit ihnen Strom zu erzeugen und ihre Treibstoffe optimiert, damit sie auch bei arktischen Temperaturen noch funktionieren.

Inzwischen werden jährlich etwa 200 Millionen Verbrennungsmotoren hergestellt. Weltweit existieren schätzungsweise zwei Milliarden von ihnen. Heute weiß jedes Kind was Benzinmotoren sind, wie sie klingen und wie sie riechen. Jugendliche können es kaum erwarten, endlich alt genug für ihr erstes eigenes Mofa oder ihren ersten Motorroller zu sein. Verbrennungsmotoren sind überall, sie sind eine der erfolgreichsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte und eines unserer begehrtesten Güter.

Aber Benzinmotoren faszinieren uns nicht nur weil sie technisch so raffiniert sind. Sie sprechen auch unsere Ur-Instinkte an weil sie, anders als jede andere Maschine die wir je gebaut haben, geradezu lebendig scheinen. Wir hören den Motor vor sich hin knattern, spüren die Hitze, spüren das Vibrieren der Zylinder die ungeduldig darauf warten, eine aufregende Arbeit zu verrichten. Es scheint ein Wesen zu sein das lebt und atmet – weil es tatsächlich atmet. Fast genau wie wir atmet es frische, sauerstoffreiche Luft ein und die verbrauchte Abluft wieder aus. Mit jedem leichten Zug am Gashebel heult der Motor auf wie ein wildes Raubtier und stößt eine weitere Rauchwolke aus. Keine andere Maschine wirkt so lebendig und dynamisch.

Ganz unabhängig davon, wozu er eingesetzt wird: mit seinem Knattern und Aufheulen, dem unverwechselbaren, stechenden Geruch von verbranntem Öl und Benzin und den dicken, blauen Abgaswolken, die aus dem Auspuff strömen, ist ein laufender Motor etwas Aufregendes, Bezauberndes und auf einer zutiefst menschlichen Ebene Reizvolles.

Ein junger Mann hält einen gelben Zweitakt-Fadenmäher. Die Auspufföffnung ist auf die Kamera gerichtet und eine schwache, bläuliche Rauchwolke strömt aus ihr heraus.

Die Welt dreht sich um Öl und Benzin

Eine Weile lang schien es, als hätten sich der Motorsport und motorisierte Freizeitaktivitäten in der Gesellschaft fest etabliert. Sie waren erschwinglich und machten unheimlich viel Spaß. Die Menschen wollten in ihrer Freizeit und zusammen mit Freund*innen Spaß mit Motoren haben. Es wurden Anlagen gebaut und Angebote eröffnet, um dieses Bedürfnis zu befriedigen.

Jede größere Stadt hatte eine Kartbahn. Im Urlaub gehörten das Fahren von Jetskis im Meer, Schneemobil-Touren oder die Rollermiete zu den beliebtesten Aktivitäten. Niedrigschwellige Motorsportarten wie Motocross wurden zum Breitensport für alle. Überall wurden Rennen abgehalten und entwickelten sich zu beliebten Volksfesten.

Vergleichsweise erschwingliche Ausrüstung und einladende Vereine ermöglichten es fast allen, sich selbst einmal daran zu versuchen. Motorsport-Vereine für Kinder und Jugendliche organisierten Schnupperkurse, um auch den Jüngsten die Möglichkeit zu geben, die aufregende Welt der Benzinmotoren und des Motorsports zu entdecken.

Ein junges Mädchen bereitet sich auf das Motocross-Fahren vor.

Im Profibereich wurden erfolgreiche Rennfahrer zu Superstars, Rennbekleidung galt als sexy und inspirierte die Modewelt. Dank der eleganten Ingenieurskunst hinter der Rennmaschinen und den beeindruckenden körperlichen Leistungen der Sportler*innen waren die Disziplinen des Motorsports bald die modernsten und zeitgemäßesten Sportarten überhaupt.

Der rostige Auspuff eines Zweitakt-Motorrollers.

Benzinkultur durchdrang alle Gesellschaftsschichten. Fast alle Teenager*innen, welche die Möglichkeit dazu hatten, erlebten ihre ersten Gefühle wahrer Freiheit und Mobilität auf einem der unglaublich beliebten Zweitakt-Motorroller, welche die Jugendlichen zur Schule, zu Freunden und zu Treffpunkten brachten, oder ihnen einfach nur eine kleine Ausfahrt ermöglichten. Das Taschengeld wurde zum Benzingeld und die Vorstellung, der Tank könnte leer sein bevor das Wochenende vorüber ist, war ein Albtraum! Man erkannte sofort, wann die Schule aus war: unzählige kleine Motoren summten wie ein Bienenstock während sie aufgewärmt wurden, und der ganze Schulhof verschwand für ein paar Minuten in einem blauen Nebel aus stickigen Zweitaktabgasen.

Die Verlockungen des motorisierten Vergnügens

Mit welcher Gleichgültigkeit wir Menschen die Natur zerstören hat mich als Kind sehr traurig gemacht. Als umweltbewusster kleiner Junge hat mich die Umweltverschmutzung durch Benzinmotoren sehr beschäftigt. Wenn ein Auto dicke, stinkende Abgaswolken aus dem Auspuff blies, hat mich das so angewidert und empört, dass ich gar nicht mehr wegschauen konnte. Ich schwor mir selbst, in meinem ganzen Leben niemals einen Benzinmotor zu benutzen.

Erst recht schockiert war ich aber als ich herausfand, dass es Leute gab, die nicht nur Auto fuhren weil sie irgendwo hin mussten, sondern Motoren auch zum Spaß und im Sport benutzten. Ich fand den Gedanken schrecklich, dass jemand die Umwelt so mutwillig und ohne guten Grund verschmutzt. Wie konnten sie das nur mit ihrem Gewissen vereinbaren?

Noch viel schlimmer war aber als mir klar wurde dass auch junge Menschen, sogar Kinder in meinem Alter, solche Dinge taten. Vorher hatte ich noch die Hoffnung dass wir jüngeren Generationen es einmal besser machen würden als die gleichgültigen Erwachsenen, dass wir die Umwelt, von welcher unser Überleben abhängt, respektieren würden. Aber diese Kinder und Jugendlichen mussten doch wissen, wie schädlich die Abgase ihrer Mofas und Roller sind. Wenn ihnen der Spaß trotzdem wichtiger war, welche Hoffnung gab es dann noch für die Zukunft? Ich fühlte mich machtlos und niedergeschlagen.

Ein junger Mann fährt einen Zweitakt-Roller und hinterässt einen Strahl aus Abgasen.

Das Thema beschäftigte und bedrückte mich sehr. Aber während mich die Gedanken an Motoren, Abgase und die Umweltverschmutzung immer wieder quälten, begann ich irgendwann auch, andere Gefühle zu bemerken. Ich fühlte mich angesichts sinnloser Umweltverschmutzung plötzlich nicht mehr nur traurig und wütend, sondern verspürte auch Neugier und Aufregung. War des der Reiz des Bösen und Verbotenen? Das Gefühlschaos das ich erlebte, wenn ich mit ansehen musste, wie unverdorbene Natur durch giftige Abgase geschändet wurde – Trauer, Wut, Beklommenheit, Nervenkitzel – war so überwältigend, dass ich mehr davon sehen und spüren wollte.

Wenn ich jemanden sah, der rücksichtslos die Umwelt verschmutzte, konnte ich früher nur mit Entsetzen zuschauen. Ich wusste, dass ich nichts dagegen tun konnte. Ich fühlte mich aber als wäre ich es der Natur schuldig, die Verwüstung wenigstens mit anzusehen um Zeuge davon zu sein. Aber jetzt erwischte ich mich dabei, wie ich die Umweltverpester innerlich trotzig anstachelte. Vielleicht fühlte ich mich so machtlos dass ich versuchte, die Kontrolle zurückzugewinnen indem ich so tat, als wollte ich, dass diese Verschmutzung passiert?

Ich hatte den Spieß umgedreht indem ich einen Weg fand, am Beobachten dieser Umweltverschmutzung Freude zu finden. Vorher fühlte ich mich hilflos und untröstlich, weil ich nicht verhindern konnte, dass die Abgase aus dem Auspuff strömten. Jetzt hoffte ich dass immer noch mehr, noch größere und dickere Abgaswolken in die Luft geblasen würden, nur um mein Verlangen zu stillen, es miterleben zu können.

Diese Gefühle haben mich sehr irritiert und geplagt. Ich war hin- und hergerissen: die Dinge, die mich als umweltbewussten Jungen am meisten erschütterten, gaben mir gleichzeitig einen großartigen Nervenkitzel. Abgase zu sehen war umso aufregender für mich, je sinnloser ich sie fand, etwa beim unbekümmerten Aufwärmen oder Laufenlassen eines Motors oder bei der gewaltigen Benzinverschwendung des Motorsports. Wenn ein Motorroller an mir vorbeifuhr reizte es mich besonders, den Lärm und Gestank eines Zweitaktmotors zu erkennen, weil ich gelernt hatte, dass die Abgase eines einzigen solchen Motors schädlicher waren als die von Hunderten von Autos.

Ich empfand diese aufregenden Gefühle sogar wenn ich sah, wie stattliche, scheinbar gesunde Bäume gefällt wurden. Ganz gebannt und angeregt beobachtete ich wenn ein wunderschöner, jahrzehntelang gewachsener Baum von einem Arbeiter binnen weniger Minuten unbarmherzig abgeholzt wurde – wie zum Hohn mit einer Motorsäge, die gleichzeitig auch noch stinkende Abgase in den Wald blies.

So entstand meine Besessenheit mit sinn- und gedankenloser Luftverschmutzung, und der innere Widerspruch hält bis heute an. Der Umweltschützer in mir hoffte aus tiefstem Herzen, dass der Motocross-Fahrer im Wald seinen Motor nicht anlassen würde, und wenn doch, dass es ein umweltschonendes Modell mit sauberer Verbrennung ist, dass der Fahrer auf die Natur Rücksicht nimmt und den Motor nicht unnötig lange laufen lässt. Gleichzeitig hoffte ein sinnlicher Urtrieb irgendwo tief in mir drin, dass das Motorrad gleich dicke, beißende Abgaswolken ausspucken würde, Öl auf die Pflanzen spritzt, und der Fahrer den Motor so lange aufwärmt bis der Wald in einer giftigen blauen Wolke erstickt.

Ein junger Motocrossfahrer wärmt sein Zweitakt-Dirtbike auf und bläst dicke Abgaswolken in einen unberührten, saftigen Wald.

Neues aus der Welt der schamlosen Umweltverschmutzung

Aktuelle Meldungen

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Ich wünsche allen Besuchern ein glückliches und gesundes 2024! Lest mehr zu den Plänen, die ich für Abgase.org im neuen Jahr habe.

1st Jan 2024
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8th Aug 2023
U.S.-Umweltschutzbehörde bewilligt höchst krebserregendes Bootsbenzin

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Wie das gemeinnützige Netzwerk Pro Publica berichtet (englisch), hat die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA diesen Frühling neue Zusatzstoffe für Schiffsbenzin von Chevron zugelassen, deren Abgase millionenfach krebserregender sind als es die Richtlinien normalerweise erlauben würden. Diesen Abgasen kontinuierlich ausgesetzt würden statistisch gesehen nahezu 100% aller Menschen an Krebs erkranken.

7th Aug 2023

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Einer Kultur geht der Sprit aus

Wie weiter oben erwähnt war die Benzinkultur vor nicht allzu langer Zeit noch allgegenwärtig. Motorsport hatte ein Massenpublikum, und motorisierte Zweiräder definierten das Selbstbild und Freiheitsverständnis ganzer Generationen von Jugendlichen. Die Jungen und Mädchen mit eigenem Motorroller waren die Coolen und Beliebten. Man hörte sie mit ihrem Motorenlärm schon von Weitem kommen, sie trugen ihren Helm stolz mit sich herum und ihre Kleidung roch immer leicht nach Benzin wenn sie im Klassenzimmer oder im Café neben einem saßen. Entweder hatte man selbst ein Motorrad oder man war neidisch auf die, die eines hatten.

Ein junges, blondes Mädchen in Motocross-Ausrüstung neben zwei Dirtbikes und einem orangen Benzinkanister

Doch die Benzinkulture befindet sich in einem Abwärtstrend. Heute, wo sich viele Menschen zunehmend Sorgen um die Umweltbelastung machen, gelten Verbrennungsmotoren schon fast als verpönt, besonders wenn sie zum Vergnügen eingesetzt werden. Motorsport gilt als moralisch fragwürdig und steht häufiger in der Kritik. Viele halten alleine schon den Gedanken an eine Sportart, bei welcher Benzin verbrannt wird, für verwerflich und rückständig. Es scheint ein Relikt aus einer Zeit zu sein, als die Leute noch nicht wussten oder sich daran störten, dass sie zu ihrem Vergnügen die Erde verbrennen.

Schon vor Fridays for Future war die Mitschülerin mit dem Roller nicht mehr unbedingt die coole und rebellische. Für einige ihrer Klassenkamerad*innen ist sie eher die selbstbezogene, rücksichtslose Schülerin, der es scheinbar egal ist, dass sie den Planeten zerstört.

Gleichzeitig werden Benzinmotoren in immer mehr Bereichen von Elektromotoren verdrängt. Das Verständnis und die Wertschätzung der Ingenieurskunst hinter den Motoren geht verloren. Insbesondere Zweitaktmotoren verschwinden zunehmend. Immer strenger werdende Abgasvorschriften bestrafen sie für ihr Funktionsprinzip. Weil sie neben dem Benzin auch Öl verbrennen, und einen beträchtlichen Teil des Treibstoffs unverbrannt wieder aus dem Auspuff ausstoßen, sind ihre Abgase um ein Vielfaches schädlicher als die der gängigeren Viertaktmotoren.

Eine junge Frau fährt einen Jetski.

Wo Elektromotoren noch nicht verbreitet sind, haben Viertakter den Markt größtenteils übernommen. Nur noch selten findet man neue Zweitakt-Modelle unter den Motorrädern, Schneemobilen oder Jetskis, wo Zweitakter insbesondere auch dafür kritisiert wurden, wie viel Öl sie ins Wasser freisetzen. Obwohl das Fahren eines Viertakters natürlich immer noch eine echtere Motorsport-Erfahrung bietet als gar keinen Verbrenner zu haben, können sie das bissige, sportliche Fahrgefühl und die Leistung eines Zweitaktmotors nicht ersetzen. Auch fehlt ihnen der aggressive, bienenartige Sound, die dicken, blauen Abgaswolken und der stechende Geruch frisch verbrannten Benzingemischs – Dinge, die für viele Menschen ein wichtiger Teil der Motorsportatmosphäre ist, die sie so lieben.

Viertakter haben auch im Motorsport die Hauptrolle übernommen. Obwohl im Sport keine Abgasgrenzwerte eingehalten werden müssen, können viele Hersteller nicht in Zweitakt-Forschung investieren, wenn sie die Technologie dann nicht in Modellen für den Straßenverkehr verkaufen dürfen. Zumindest im Hobbybereich gibt es aber immer noch einen großen und beständigen Anteil an Sportler*innen mit einer starken Vorliebe für Zweitakter. Vor allem bei Offroad-Motorrädern und Karts gibt es eine ausreichend große Nachfrage, und genügend Sportler*innen die neu auf Zweitakter umsteigen, um hoffentlich auch in Zukunft die Produktion aufrecht zu erhalten.

Ein weiterer Markt, in welchem Zweitakter sich immer noch gut halten, sind Gartengeräte, wo sie dank ihrer Erschwinglichkeit, ihrer Zweckmäßigkeit und ihrem Komfort den elektrischen Alternativen deutlich überlegen sind. So sind Gartengeräte interessanterweise ein weiterer Bereich, wo Zweitaktkultur noch gepflegt werden kann. Man kann immer noch zahlreiche Zweitaktmotoren sehen, hören und riechen wenn die Nachbarn ihre Heckenscheren, Laubbläser und Motorsägen hervorholen. Es mag bloß Gartenarbeit sein, aber das Heulen des Motors und der Duft von Benzingemisch sind bei einem Zweitakt-Rasentrimmer nicht viel anders als auf der Rennstrecke!

Eine junge Frau bläst mit einem Zweitakt-Rasentrimmer eine blaue Abgaswolke in die Luft.

Dank ihrem leichten Gewicht, der einfachen Konstruktion und den geringen Kosten waren Zweitaktmotoren auch besonders beliebt und verbreitet in Fahrzeugen für Jugendliche wie Mofas, Roller, oder Kleinmotorräder. Es betrifft Jugendliche von heute also ganz direkt, dass billige Zweitakt-Motorroller und -Motorräder seltener werden und fast nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu finden sind. Das könnte die Zukunft der Zweitakt- und Benzinkultur besonders gefährden, denn überleben wird sie langfristig nur, wenn es weiterhin Nachwuchs gibt, der sie für sich entdeckt.

Nach allem, was ich sehe und höre, sind Jugendliche auch heute noch sehr empfänglich für den Charme der Zweitakter. Um ihm zu verfallen, müssen sie ihm aber erst einmal ausgesetzt sein. Man kann seine Vorliebe für Zweitakter erst entdecken, wenn man weiß, dass es sie gibt und sie eine Alternative sind. Die Jugendlichen müssen Zweitakter draußen auf der Straße sehen, das temperamentvolle und prickelnde Fahrgefühl erleben, und mit ihrem grellen Motorensound und stechenden Abgasgeruch vertraut werden. Nur so können sie herausfinden, dass sie mit einem Zweitakter möglicherweise sehr viel mehr Spaß haben werden als mit einem Viertakter, geschweige denn einem Elektromodell. Mit diesen Eindrücken und Erlebnissen konfrontiert zu werden ist aber seltener geworden, nun da der Anteil an Zweitaktern am Straßenverkehr und Motorsport so stark zurückgegangen ist.

Wenn die Schule aus ist, gibt es heutzutage meist nicht mehr genügend Schüler*innen mit Moped oder Roller, um den Pausenhof wie früher in eine eindrucksvolle, buchstäblich atemberaubende Abgasglocke einzuhüllen. Nur noch vereinzelt sieht man, wie aus dem Fahrradunterstand eine blaue Wolke hervorschießt. Diese Mofas und Motorroller sind aber weiterhin die wichtigste "Einstiegsdroge" für ein lebenslanges Interesse an motorisierter Freizeitgestaltung. Es braucht nur eine*n einzige*n Mitschüler*in mit einem Roller, um möglicherweise einen ganzen Freundeskreis mit der Leidenschaft für Benzinkultur anzustecken.

Ohne zufällig und ganz alltäglich mit Motoren und Motorsport konfrontiert zu werden, würden sie viele vielleicht nie als spannende und zugängliche Freizeitbeschäftigung betrachten. Bis sich eines Tages ein paar ihrer Schulfreund*innen bereit machen, auf ihren Rollern nach Hause zu fahren, und sie dabei dem aufregenden Tumult warmlaufender Kleinmotoren aussetzen. Während sie in eine ölige Wolke gehüllt werden und die beißenden Auspuffgase einatmen, erliegen sie vielleicht plötzlich dem Reiz… und setzen einen eigenen Roller auf ihre Wunschliste oder horchen auf, wenn sie von einem Motocross-Schnuppertag erfahren.

Eine Gruppe junger Motocross-Fahrer

Obwohl Zweitaktroller bei Jugendlichen auf dem Land und in den Vororten, wo ich aufgewachsen bin, immer noch etwas beliebter sind, ist auch dort der Rückgang spürbar. Ich habe es immer geliebt, wenn an Nachmittagen so viele Jugendliche auf ihren Mopeds unterwegs waren, dass man jederzeit und überall von einem in der Luft hängenden Duft von Zweitakt-Abgas überrascht werden konnte – ob auf dem Spielplatz, im Zimmer bei offenem Fenster, oder mitten im Wald. Oft war weit und breit kein Motorrad zu sehen oder zu hören, die Abgase wurden einfach vom Wind herbeigeweht. Solche Momente sind selten geworden. Damit die Zweitakt-Kultur überleben kann, darf sie sich nicht nur auf abgelegene Sportveranstaltungen oder besondere Treffen beschränken. Der willkürliche, unverhoffte Hauch von Abgasduft muss wieder ein gewöhnliches, alltägliches Phänomen werden.

Dem Zeitgeist zum Trotz

Trotz allem ist der Motorsport immer noch sehr beliebt. Menschen haben immer noch Spaß mit allen möglichen motorisierten Fahrzeugen. Die Welt des Motorsports und der motorisierten Freizeitaktivitäten, vor allem mit Zweitakt-Motoren, ist faszinierend, unterhaltsam, aufregend und ergreifend. Leider gibt es heutzutage starken gesellschaftlichen und politischen Widerstand gegen sie. An solchen Aktivitäten teilzunehmen bedeutet auch nicht-erneuerbares Erdöl zu verbrennen, die Luft zu verschmutzen, die Natur zu vergiften und den Klimawandel anzuheizen. Mit einer politisch korrekten, umweltbewussten Einstellung ist es eigentlich unvereinbar.

Ich habe den Eindruck dass Leute aus der Motorsportszene die Tatsache, dass ihr Hobby oder ihr Sport die Atmosphäre mit giftigen Abgasen verpestet, oft kleinreden oder verbergen, wenn sie mit der breiten Öffentlichkeit zu tun haben. Rennen werden an abgelegenen Orten veranstaltet und Fotos für die Presse sorgfältig ausgesucht, damit auch nicht die geringste Andeutung einer Abgaswolke sichtbar ist. Niemand möchte einen Streit auslösen oder Widerstand provozieren.

Der Start eines Kartrennens, die Fahrergruppe hinterlässt eine riesige Abgasglocke.

Hier wähle ich einen anderen Ansatz und gehe in die Offensive. Ich versuche nicht, die Umweltbelastung, die der Zweitakt-Motorsport verursacht, kleinzureden oder so zu tun, als könnte das problem durch technologische Innovationen gelöst werden. Stattdessen sage ich ganz ehrlich dass die Umweltverschmutzung an und für sich ein wichtiger Grund dafür ist, warum ich und viele Gleichgesinnte uns so für den Motorsport begeistern. Darum ist es auch nicht möglich, die Benzinmotoren durch Elektromotoren zu ersetzen. Das Resultat wären komplett andere Sportarten, die kaum mehr etwas damit zu tun haben, was ich am Motorsport anziehend finde.

Aus Gesprächen mit Motorsport-Fans und -Sportler*innen weiß ich, dass viele von ihnen diese Meinung teilen. Der Lärm der Motoren, die dicken Abgasschwaden und der Geruch von verbranntem Öl und Benzin sind nicht nur bedauernswerte, unangenehme, leider unvermeidbare Nebenwirkungen von Sport mit Verbrennungsmotoren. Sie sind ausschlaggebend dafür, warum wir die Motoren und motorisierten Freizeitaktivitäten so lieben. Unter Motorsportler*innen, und im "sicheren Rahmen" der Besucher*innen einer Motorsportveranstaltung, ist das meistens nicht einmal eine kontroverse Frage.

All dies einer Person zu erklären, welche der Anziehungskraft der Benzinkultur selbst (noch) nicht erlegen ist, ist schwierig. Gerade das, was ein*e Umweltaktivist*in besonders anstößig und unentschuldbar finden würde, ist, was diese Sportarten und Aktivitäten für uns überhaupt erst so reizvoll machen. Andererseits vermute ich, dass ein Hang zu den sinnlichen Reizen von Verbrennungsmotoren und Abgasen relativ universell ist. Wenn es den ganzen Ballast nicht hätte, nicht so ungesund und umweltschädlich wäre, glaube ich dass auch viele Umweltschützer*innen fasziniert wären vom Gefühl der direkten Verbindung zu einer kraftvollen Maschine, und sogar den Geruch der Abgase als angenehm empfinden würden. Schließlich ist es ja auch für grün gesinnte Menschen nicht unüblich zuzugeben, den Geruch an der Tankstelle eigentlich ganz gerne zu mögen.

A young girl gearing up for riding motocross

Ein Umweltschützer weniger

Auch wenn man davon ausgeht, dass eine Schwäche für den Anblick und den Geruch von Abgasen vielleicht überraschend weit verbreitet ist, hast du vielleicht in einem früheren Abschnitt schon vermutet, dass es für mich sogar noch einen Schritt weiter geht. Ich habe nicht bloß eine Neigung für Abgase entwickelt, die halt nebenbei auch noch der Umwelt schaden. Die Tatsache der Umweltverschmutzung an sich hat für mich etwas Anreizendes. Schließlich waren es gerade die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die mein Interesse am Motorsport überhaupt erst geweckt hatten.

Als stark umweltbewusstes Kind konnte ich kaum fassen, wie herzlos die Natur beim Motorsport verwüstet und verseucht wurde. Die Fahrer*innen hatten Spaß und waren in die Aufregung des Wettbewerbs vertieft. Aber jede*r Einzelne von ihnen saß auf einem Motor, verbrannte literweise Benzin, und pumpte mit jedem Dreh am Gasgriff hochgiftige Abgase aus dem Auspuff. Die Auspuffgase brannten in meinem Hals und machten das Atmen unangenehm. Immer und immer wieder wurde die schöne Landschaft von einer dreckigen Giftwolke erstickt. Wenn der Wind die Abgase zerstreute und davonblies dachte ich daran, wie die Schadstoffe sich verteilten und für immer in der Natur zurückblieben, Bäume und Tiere schädigten, sauren Regen und Erderwärmung verursachten.

Ein Motocrossfahrer wärmt sein Motorrad auf dem Renngelände auf, und hüllt die Leute hinter ihm, darunter zwei junge Motocrossfahrerinnen, in eine dicke Abgaswolke.

Je schädlicher die Abgase in meiner Vorstellung waren, desto trauriger und verzweifelter fühlte ich mich. Besonders erschüttert war ich immer dann, wenn ich dachte, dass die Umweltverschmutzung ohne guten Grund passierte. Und je wütender und hilfloser ich mich fühlte, desto stärker verspürte ich auch diese anderen Gefühle der Erregtheit und der morbiden Freude. Darum verschob sich mein Hauptinteresse zum Motorsport, wo ich am allerwenigsten eine vernünftige Rechtfertigung für das Verursachen dieser Umweltverpestung finden konnte, und zu Zweitaktmotoren, welche besonders viele Schadstoffe ausstoßen.

Ich war aber nicht nur ein Umweltapostel, der irgendwie den Reizen von Motorrädern und des Motorsports erlegen war. Damit hätte ich mich einfacher abfinden können. Schließlich haben wir alle unsere heimlichen Laster, die ein wenig an unserem Gewissen nagen. Vielmehr musste ich zugeben, dass es die Umweltschäden selbst waren, die mich reizten und anregten. Auf der einen Seite hielt ich die Unmengen an verschwendetem Benzin und vergifteter Luft an einem Motocross-Rennen für eine unverschämte Abscheulichkeit. Auf der anderer Seite hat mich der Anblick dieser verheerenden Umweltverschmutzung und der Gedanke daran, dass sie zum reinen Vergnügen verursacht wurde, wahnsinnig erregt.

Eine Gruppe von Motocross-Fahrern auf ihren Motorrädern. Große Mengen dicker, blauer Abgase verdecken die Sicht.

Es war ein tiefer, moralischer Konflikt. Ich hatte nur ein so starkes Interesse am Motorsport entwickelt, weil mir die Umwelt so am Herzen lag. Da ich die Zerstörung nicht aufhalten konnte, wollte ich wenigstens alles mit ansehen. Ich wollte, dass jemand die Umweltverschmutzung bezeugen konnte, außer der Person, die sie verursacht hat. Jemand, der sicher erinnern und Zeugnis darüber ablegen könnte, wie schrecklich die Menschen ihre Umwelt behandelten. Ich wollte die Erinnerung und das Gedenken an alle Bäume bewahren, die gefällt wurden, und meine ganze Wut und Traurigkeit ansammeln, als Motivation für meinen zukünftigen Kampf für den Umweltschutz.

Dazu fing ich schon als Junge an, gezielt an Orte zu gehen, wo ich Szenen der Umweltverschmutzung beobachten könnte. Ich wollte nichts verpassen. Nach der Schule blieb ich oft noch bei den Mofa- und Rollerparkplätzen stehen, weil ich sehen wollte, wie der giftige Qualm aus den kleinen Auspuffrohren strömte wenn die Motoren gestartet wurden. Wann immer möglich versuchte ich auch so zu stehen, dass ich die Abgase riechen konnte, als wollte ich mich vergewissern, dass es wirklich diese stechenden, schädlichen Gase waren, die ich so schrecklich fand. Wenn ich an den Stümpfen kürzlich abgeholzter Bäume vorbeiging war ich untröstlich, dass ich nicht da war und zusehen konnte, als sie gefällt wurden.

Die große Ironie ist, dass es wohl gerade diese ständige und bewusste Beschäftigung mit Abgasen und Baumfällungen war, mit welcher ich eigentlich meine Entschlossenheit als Möchtegern-Umweltschützer festigen wollte, durch die sich dann völlig entgegengesetzte Gefühle entwickelt haben. Vielleicht hat mein Hirn diese Verknüpfung hergestellt weil ich mich dauernd über die Umweltverschmutzung empört habe, während ich gleichzeitig von den sinnlichen Wahrnehmungen und der emotionalen Erregung überwältigt wurde, wenn ich diese Dinge beobachtete: der beißende Abgasgeruch, das unerbittliche Knattern eines laufenden Motors, der Anblick einer unaufhaltsam in die Natur davonwehenden giftigen Abgaswolke, der Adrenalinschub, das Herzrasen und der Kloß im Hals wenn ich mit ansehen musste, wie ein Lieblingsbaum gefällt wurde. Von diesem Moment an wurde es vermutlich zum Selbstläufer. Wenn ich mich an die schrecklichen Szenen erinnerte, die ich miterlebt hatte – die sinnlos produzierten Abgase und die zu Boden stürzenden, schönen Bäume – erinnerte ich mich auch an die angenehmen Gefühle, die ich dabei verspürte, was mir wiederum bestätigte dass es tatsächlich die Gedanken an die Umweltzerstörung selbst waren, die für die schönen Gefühle verantwortlich waren.

Eine Benzin-Motorsäge schneidet sich in einen Baumstamm.

Als ich anfing mich mit Leuten auszutauschen, die diese Gefühle teilen, war ich überrascht wie viele von ihnen eine ähnliche Geschichte erzählten. Alles fing mit einem starken Umweltbewusstsein in der Kindheit an, während der man sich ständigen mit dem Thema beschäftigte. Bis man plötzlich auch Gefühle des Nervenkitzels, der Anregung und des Vergnügens feststellt, während man Abgase beobachtet oder an sie denkt.

Ich vermute, dass ein Prozess ähnlich der Reaktionsbildung dahinter stecken könnte. Gedanken über die Umweltverschmutzung brachten uns zu großer Verzweiflung, aber wir fühlten uns dagegen machtlos. Eine Begierde nach dem genauen Gegenteil dessen, was wir uns eigentlich wünschten, zu entwickeln könnte ein Bewältigungsverhalten gewesen sein. Menschen werden die Umwelt ohnehin verschmutzen, also kann das Hoffen, dass sie damit aufhören werden, nur zu Ohnmachtsgefühlen führen. Wenn wir uns aber an der Umweltverschmutzung erfreuen und so tun als wollten wir, dass die Menschen genau das tun, haben wir wieder die Kontrolle.

Glücklicherweise leide ich nicht unter diesen merkwürdigen Neigungen. Sie standen einer gesunden und (sonst) normalen Kindheit und Jugend nicht im Weg, auch wenn sie zu einigen Verwirrungen und Widersprüchen geführt haben. Ist es nicht total paradox, so viel Gefallen an etwas zu finden, das die eigene Lebensgrundlage zerstört? Die Naturwissenschaften haben mir beigebracht, dass ich mich besonders zu Frauen hingezogen fühlen müsste, welche potentiellem Nachwuchs die besten Überlebenschancen sichern würden. Doch dann fühlte ich mich als Teenager besonders zu dem hübschen Mädchen hingezogen, das mit dem Gas ihres Dirtbikes spielte, die Atemluft vergiftete und den Planeten für zukünftige Generationen unbewohnbar machte.

Eine Motocrossfahrerin in voller Rennausrüstung auf ihrem Motorrad

Ich möchte betonen, dass ich deswegen nicht gegen den Umweltschutz bin oder zum Klimawandelleugner geworden bin. Mir macht es nicht grundsätzlich Spaß, Umweltverschmutzung zu beobachten. Der Reiz ist für mich nur da, wenn Leute die Umwelt für Spaß und Sport verschmutzen, sinnfrei und skrupellos. Ich unterstütze eine nachhaltige Politik und grüne Technologien, wo immer es keine große Rolle spielt wo die Energie herkommt. Im Sport tut es das aber, und für Leute wie mich gibt es keinen Ersatz für Benzinmotoren.

Wer schreibt hier für wen?

Der Autor in einer Dainese-Lederkombi und Shoei-Helm Gefallen an etwas so schamlos umweltschädlichem zu finden ist gesellschaftlich nicht akzeptiert. Es ist auch nicht einfach, es jemandem zu erklären, der*die nicht dasselbe empfindet. Falls du diese Seite ganz durchgelesen hast, weißt du schon ein wenig darüber, wie diese Gefühle bei mir aufgekommen sind. Als Jugendlicher hatte ich solche Angst davor, dass jemand von meinen sonderbaren Gedanken zu Abgasen erfahren könnte, dass ich komplettes Desinteresse an allem, was entfernt mit Motoren oder Umweltschutz zu tun hat, vorspielte. Wegen meiner starken Überzeugungen für den Umweltschutz habe ich lange mit meiner Vorliebe für Abgase gekämpft und versucht, sie zu unterdrücken. Das hat nicht funktioniert. Abgase zu mögen war nicht meine Entscheidung, und ich verstehe immer noch nicht ganz, wie es dazu kommen konnte, aber ich musste akzeptieren dass ich nichts daran ändern kann.

Schritt für Schritt habe ich dann dem Verlangen dieser "dunklen Seite" nachgegeben. Als kleiner Ökofreak hielt ich immer Ausschau nach Situationen sinnloser Umweltverschmutzung im Alltag, um sie zu beobachten und innerlich zu verurteilen. Nachdem ich meine widersprüchlichen Gefühle zu entdecken begann, habe ich diese Situationen immer noch gesucht, aber zu beobachten, wie die Natur geschändet wurde, rief dann noch eine Reihe ganz anderer, aufregender Gefühle hervor. Ich verbrachte mehr Zeit mit Freunden die Roller fuhren, um den Geruch der Zweitakt-Abgase riechen zu können. Ich ging häufig hinten am Gebäude einer örtlichen Karthalle vorbei, wo eine Abluftanlage die abgasschwangere Luft aus dem Innern in die Umgebung blies. Ich kaufte mir gebrauchte Rennbekleidung, ganz durcheinander und nervös darüber, dass ich darin so aussah wie einer dieser bösen Umweltverpester. Irgendwann gab ich dann der letzten Versuchung nach und versuchte heimlich, selbst einen Benzinmotor zu starten. Ich beobachtete, wie die blauen Wolken aus dem Auspuff strömten und versuchte mir bewusst zu machen, dass ich die Umwelt jetzt tatsächlich mit selbstverantworteten, echten, schädlichen und völlig zwecklosen Abgasen verschmutzte. Die letzte Hemmschwelle war gefallen.

Einen längeren und detaillierteren Beitrag zu meiner Geschichte und meinen Erinnerungen findest du auf der Seite zu meinem Hintergrund.

Bis zu diesem Punkt ging ich immer noch davon aus, dass ich der einzige Mensch auf der Welt mit einer solch seltsamen Vorliebe sein musste. Schließlich machte das alles überhaupt keinen Sinn! Auch das World Wide Web, welches sich gerade durchzusetzen begann, gab keinen Hinweis dass es noch mehr Leute wie mich geben könnte. Ich weiß nicht mehr, ob ich einfach nur meine eigenen Gedanken ordnen und meine Theorien zur Entstehung meiner kuriosen Neigungen niederschreiben wollte, oder ob ich tatsächlich darauf hoffte, Gleichgesinnte zu finden, aber 1998 habe ich meine erste Website über mein Faible für Abgase veröffentlicht. Um zu verdeutlichen was mir gefiel lud ich auch ein paar Fotos von Abgasen hoch, die ich besonders aufwühlend und anregend fand, aus einer großen (und bis heute wachsenden) Bildersammlung, die ich angelegt hatte.

Nur kurze Zeit später, und zu meiner großen Überraschung, fing ich an, E-Mails von Besuchern zu erhalten. Die meisten hatten meine Seite gefunden, weil sie das Netz nach Fotos von Abgasen und Umweltverschmutzung durchsuchten. Sie erkannten sich in meinen Beschreibungen wieder und hatten sich sehr darüber gefreut, da auch sie überzeugt waren, dass niemand sonst auf der Welt ihre Vorlieben teilt, sich dafür geschämt und sie geheim gehalten. Sie und ich waren dankbar, Andere gefunden zu haben, die diesen Teil von uns verstehen konnten, mit welchen wir über diese Sache sprechen konnten, die wir selber nicht so recht verstehen konnten.

Solange ich eine Website zu diesem Thema führte, erhielt ich regelmäßig solche E-Mails. Ich hatte persönliche Gespräche mit Dutzenden von ähnlich gewickelten Leuten aus der ganzen Welt, und führte einige Zeit lang auch themenbezogene Online-Communites (heute nicht mehr online) mit Tausenden von Mitgliedern. Die Anzahl der Menschen, die sich scheinbar für diese Themen interessierten, überraschte mich immer wieder. Ich halte es für gut möglich, dass diese Vorlieben unter Umständen gar nicht so selten sind. Da sie so seltsam und gesellschaftlich eher verpönt sind, scheinen viele mit Scham zu reagieren und sie zu verstecken. Die vielen Menschen, die mir geschrieben haben oder meinen Gruppen beigetreten sind, sind vielleicht nur die Spitze des Eisbergs, diejenigen, die ihre Hemmungen überwunden und es auf sich genommen haben, im Internet nach diesem Thema zu suchen. Wenn ich daran denke, wie oft ich schon gehört habe wie Leute zugeben, dass sie den Geruch an Tankstellen mögen – wie viele von ihnen mögen es vielleicht noch ein ganzes Stück mehr, bewusst oder unbewusst?

Warum es diese Seiten gibt

portrait5 Das Benzinreservat ist ein Ort wo sorglose, leichtsinnige, fröhliche, ungerechtfertigte und sinnlose Luftverschmutzung nicht nur akzeptiert, sondern geschätzt und gefeiert wird. Es ist meine Art, diese dunklen Gelüste einzugestehen anstatt sie zu unterdrücken, und vielleicht mehr darüber herauszufinden, wie sie entstanden sein könnten, indem ich meine Gedanken ausformuliere. Ich werde versuchen, eine Mind-Map-artige Referenz all der Themen und Gedanken, die ich am anregendsten finde, zu erstellen, und so vielleicht ein paar neue Verbindungen und Theorien zu finden.

So unglücklich der weiterhin in mir steckende Umweltschützer darüber ist, soll die Seite auch eine aufrichtige Würdigung und Förderung der Benzinkultur im Allgemeinen und der Menschen, die sie am Leben erhalten, sein. Ich möchte mich herzlich bei all jenen bedanken, die zusammen weltweit jeden Tag Millionen von Litern Benzin für Sport und Spaß verschwenden, und sie dazu ermutigen, die Atmosphäre weiterhin mit ihren Abgasen vollzupumpen. So verwirrend diese Gefühle auch für mich selbst immer noch sind, schlussendlich liebe und genieße ich es einfach sehr zu beobachten, wie schöne Menschen Freude haben, Benzin verbrennen und ein bezauberndes Stück Natur mit dicken, stickigen Zweitakt-Abgaswolken entweihen.

Vor allem aber hoffe ich dass diese Seiten weiterhin vielen neuen, vielleicht noch "heimlichen", Abgasliebhabern zeigen können, dass sie nicht alleine sind, dass es Gleichgesinnte gibt mit welchen sie Gedanken und Geschichten austauschen können. Wenn du dich in einigen der Texte wiedererkennst, oder dich einige der Fotos und Videos ansprechen, dann würde es mich sehr freuen, wenn du mir schreibst.

Zu guter Letzt, an alle anderen Besucher: ich weiß, dass das alles ziemlich schräg klingen muss, und ich glaube nicht dass es möglich ist, die Sache auf eine Weise zu erklären, dass Außenstehende sie wirklich nachvollziehen könnten. Ich gebe mir aber Mühe, diese Gedanken und Gefühle ausführlich und allgemein verständlich zu beschreiben. Wenn du also ein wenig neugierig geworden bist, sieh dich ruhig ein bisschen um. Ich hoffe, dass es wenigstens auf der Stufe nachvollziehbar sein kann, dass wir alle unsere Eigenheiten und kleinen, schmutzigen Geheimnisse haben, denen wir mehr oder weniger ausgeliefert sind. Nur wenige Menschen haben bisher über diese besonderen Vorlieben geschrieben, also versuche ich, das so gut wie möglich zu tun.

Ausblick

Der Autor in einem Kartrennanzug Als ich noch im Schulalter war, wäre es niemandem eingefallen, eine*n Schulfreund*in dafür zu kritisiern, dass er*sie ein Mofa fährt. Heute leiten Kinder Klimaproteste an. An meiner Mittelschule haben die Roller der Schüler*innen den Fahrradunterstand jeden Tag zur Mittagspause und nach Schulschluss mit Abgasen voll gepumpt. Man quatschte mit seinen Freund*innen während man inmitten einer öligen, stinkenden Wolke stand, und dachte sich nichts dabei. An Kinder-Motocrossrennen waren die jungen Fahrer*innen umgeben von Mini-Motorrädern, die zu den größten Dreckschleudern überhaupt gehörten, und atmeten stundenlang einen Nebel aus krebserregenden Abgasen ein, was die Eltern nicht zu stören schien. Alle besuchten gerne die Karthalle, wo die Luft trotz Belüftungsanlage immer zum Schneiden dick und abgasgeschwängert war. Der Abgasgestank durchdrang jedes Haar und jedes Kleidungsstück, man roch noch Stunden später danach – aber niemand hat ein Wort darüber verloren, es war ganz einfach kein Thema. Heute weigern sich gewisse Leute, eine Kartbahn zu besuchen, wenn sie nicht voll elektrisch ist.

Die Welt hat sich verändert für Leute wie mich, die Abgase, Motorsport, und motorisierte Freizeitgestaltung mögen. Zweitakt- und Benzinkultur sind bedroht. Darum habe ich dieser Seite den Titel Benzinreservat gegeben: es ist ein Zufluchtsort für Leute, die Abgase mögen, im Alltag aber immer seltener zufällige Begebenheiten spontaner Zweitakt-Luftverschmutzung miterleben können. Hier können wir offen über die Reize von Abgasen und Umweltverschmutzung sprechen, ohne uns erklären zu müssen. Hier verstehen dich die Leute wenn du sagst, dass du die heutigen, strengen Abgasvorschriften bedauerst, oder dass du enttäuscht bist, dass auf dem See in deiner Gegend keine ölleckenden Zweitakt-Jetskis mehr erlaubt sind. Der Kampf gegen die Umweltzerstörung bedeutet für uns dass viele der Dinge, die das Leben für uns lebenswert machen, zu verschwinden drohen.

Das soll aber nicht heißen dass wir den Kampf aufgeben sollten, die Benzinkultur zu retten und wieder in der Gesellschaft zu etablieren. Denn damit die Benzinkultur ihr volles Potential entfalten und so aufregend wie möglich sein kann, muss sie im alltäglichen Leben präsent sein. Es ist ein wichtiger Teil des Anreizes und des Kitzels, zu wissen, wie verheerend die Abgase für die Umwelt sind, wie weit die Umweltverschmutzung bereits vorangeschritten ist, dass Menschen ständig und gedankenlos dazu beitragen, und dass kein Flecken der Erde von Benzin und Abgasen unberührt geblieben ist. Organisierte Zweitakt-Treffen sind toll, aber kein Ersatz. Die Verschmutzung muss draussen in freier Natur passieren.

Um Zweitakter wieder allgegenwärtig zu machen, müssen die Menschen sie wieder zu schätzen lernen. Aber niemand kann sich für Zweitakter erwärmen, ohne sie um sich herum zu sehen und zu erleben. Sie müssen die Motoren aufheulen hören und die Abgaswolken strömen sehen, und sie müssen den Duft frisch verbrannten Zweitaktgemischs riechen wenn einer an ihnen vorbei fährt. Ich biete Menschen dieses Privileg, wann immer ich mit einem meiner Zweitakter durch die Stadt fahre. Aber mir gefällt die Idee, daraus eine größere Bewegung werden zu lassen. Zweitakt-Enthusiasten, die sich zusammentun, um die Welt wieder mit würzigen Abgasen zu füllen und sie zu den Menschen zu bringen, besonders, wo sie diese sonst nur noch selten erleben können, etwa in den großen Städten. Man kann nicht wissen, wer sich alles für die Rückkehr der Zweitakter einsetzen würde, wenn sie es selbst nicht wissen. Und der beste Weg den Menschen dabei zu helfen, es herauszufinden, ist es, ihre Atemluft mit ein paar frischen Zweitaktabgasen anzureichern und zu sehen, ob sie anbeißen.

Wie wäre es etwa damit, Zweitakt-Schnuppertage zu organisieren, an welchen die Leute einige unserer Motorräder ausprobieren können? Oder wie wäre es, Schüler*innen einen Zweitakt-Roller oder einen Benzinzuschuss zu finanzieren? Es gibt unzählige Wege, Zweitaktmotoren zu bewerben und zu fördern, und der Öffentlichkeit ihre Reize näher zu bringen. Einige Umweltaktivisten mögen solche Veranstaltungen und Initiativen ablehnen, aber wie überall dürften die meisten Menschen gemäßigt sein. Wie viele von ihnen verbergen eine heimliche Schwäche für Zweitakter, oder könnten eine entdecken? Wir werden es nur herausfinden, wenn wir etwas tun. Und ich freue mich über jeden Vorschlag, was man noch tun könnte.

Auf jeden Fall hoffe ich, dass alle Gleichgesinnten sich irgendwann dazu ermutigt fühlen, ihre Neigungen ohne Schuldgefühle zugeben zu können, wenn sie wollen. Auf rücksichtslose Umweltverschmutzung zu stehen wird immer ein paar wertende und ablehnende Reaktionen hervorrufen. Aber du solltest dich nicht dafür schämen müssen, diese Nebeneffekte von Verbrennungsmotoren zu mögen. Es sollte genauso akzeptiert und toleriert sein, wie jede andere Neigung. Vielleicht brauchen wir eine eigene Flagge 😄

 

Ob dich dein Abgasfetisch, bloße Neugier oder der reine Zufall hierher geführt hat: ich heiße dich in meinem kleinen, virtuellen Benzinreservat herzlich willkommen, wo Benzin, Verbrennungsmotoren und Abgase unter Artenschutz stehen.

Video-Kostprobe